Martina Leeker, November 2016
Überblick
Unsere technologische Lage sei, so heißt es, davon bestimmt, dass wir mit smarten technischen Dingen (z. B. Handys, Tablets, Kühlschränke, Mixer, Fitness Tracker und GPS Uhren), die oft mehr von uns wissen als wir selbst, in gleichberechtigten Handlungsagenturen leben. Haben die Dinge und technischen Umwelten (wie etwa: Verkehrssysteme, Smart Cities, Einkaufszentren) nun ein eigenes Recht und Handlungskompetenz, können wir dann zum Beispiel Versehrtes einfach entsorgen? Wenn dies nicht angemessen wäre, was bedeutet es für Menschen, wenn sie von nicht mehr voll funktionstüchtigen technischen Dingen umgeben sind?
Diese Fragen wurden im Wintersemester 2015/16 in einem Seminar der Autorin im Rahmen des Komplementärstudiums der Leuphana Universität Lüneburg behandelt. Ziel war es, aktuelle Theorieansätze zu Dingwelten (Scott Lash, Objekte, die urteilen: Latours Parlament der Dinge, 1999), zur Techno-Ökologie (Erich Hörl, Jörg Huber, Technologie und Ästhetik. Ein Gedankenaustausch, in: Magazin 31, Nr. 18/19, 2012, Seite 9-20, PDF) sowie zur Anthropomedialität auf ihre diskursive Produktivität und ihre Genese hin zu befragen. Könnte es sein, dass sie – Symptome beschreibend – diese zum Status Quo der Konstitution digitaler Kulturen erheben und dabei ihre Nähe zu einer Technikgeschichte der Kybernetisierung, mithin zu Kontrollfantasien von Mensch, Leben und Technik verkennen? Im Rahmen dieser Frage sollte die aktuelle Diskurslandschaft auf einen Bezug zu einer, die menschlichen Agierenden ungefragt und umfänglich vereinnahmenden, „Politik des Technosphärischen“ sowie zu einem „Regime der Affekte“ (Vgl. Marie-Luise Angerer, Vom Begehren nach dem Affekt, Zürich /Berlin: Diaphanes 2007) hin untersucht werden.
Dies zu tun, wurde eine Eulenspiegelei, also die Kunst, so Bazon Brock, des Wort-Wörtlich-Nehmens (Bazon Brock, „Aller gefährlicher Unsinn entsteht aus dem Kampf gegen die Narren, oder Eulenspiegel als Philosoph, Nietzsche als sein gelehrigster Schüler und der Avantgardist als Hofnarr der Gesellschaft“, in: Bazon Brock, Ästhetik gegen erzwungene Unmittelbarkeit. Die Gottsucherbande – Schriften 1978–1986, S. 288) durchgeführt. In deren Zentrum stand die Über-Affirmation von sowie die Über-Identifikation mit der Gleichberechtigung der Dinge und der daraus folgenden Entthronung des Menschen. Ausgangsthese war dabei, dass es leicht ist, Theorien zu entwickeln. Wie ernst es uns damit ist, zeigt sich erst, wenn sie verkörpert werden. Denn in diesem Vorgang werden Relevanz, Konsequenzen und Gouvernementalität theoretischer Konstrukte durch das Erleben spürbar und damit erkennbar. Wie würden Kulturen aussehen, wenn die genannten Theorien 1:1 in die Praxis umgesetzt würden? Könnten sie z. B. auf Grund von Erfahrungen revidiert werden, weil sie kontraproduktiv sind, oder weil man gar nicht so radikal sein wollte, wie rein theoretisch eingefordert?
Diese Reflexionen sind so wichtig, da die angeführten Theoriebildungen des Relationalen derzeit zwei Dinge für sich in Anspruch nehmen. Zum einen sollen sie bessere Beschreibungen der Lage digitaler Kulturen ermöglichen, die nicht mehr, wie bisher, mit der Analyse von Einzelmedien oder als instrumentelle Beziehung von Mensch und Technik verstanden werden können. Durch die Fokussierung auf Relationen, verstanden als Operatoren einer existentiellen Einbindung menschlicher Agierender in technologische Umwelten, sollen die skizzierten Theorien zudem zum anderen als eine Lösung dafür bieten, mit den Herausforderungen des mit dem Anthropozän ausgerufenen Zeitalters der (Klima-)Katastrophen und kapitalistischen Krisen umzugehen. Denn der Relationen-Diskurs entspricht einer Verabschiedung eines Konzeptes vom autonomen und selbstbewussten Anthropologischen in umweltliche Bescheidenheit. Die zu verhandelnden Theorien sehen sich mithin als Hoffnungsträger, was es schwierig macht, eine kritische Distanz zu ihnen aufzubauen.
Verkörperung und Eulenspiegelei, d. h. Überidentifikation und Überaffirmation, wurden im hier zu dokumentierenden und zu analysierenden Projekt in dieser Situation und ob dieser Relevanz als Methoden einer diskursanalytischen Ästhetik vorgeschlagen, um Theorie und Praxis digitaler Kulturen auf ihre Politiken hin zu untersuchen. Indem Theorien und Modelle mit diesen Methoden getestet wurden, könnten, so die Überlegung, gegebenenfalls experimentell durchgearbeitete, weniger vereinnahmende Lösungen entworfen werden, wo es denn nötig sein sollte. Es ging mithin um ein Testlabor für Theorien sowie um einen praxeologisch-epistemologischen Apparat zur Erzeugung von über sich selbst aufgeklärten, kritischen Techno-Kultur-Theorien. Dieser Zugang besagt auch, dass es eine Wirklichkeit digitaler Kulturen nicht a priori gibt, sondern diese erst theoretisch wie praktisch erzeugt wird und deshalb auch veränderbar ist.
Diese Eulenspiegelei durchzuführen war es Aufgabe der Studierenden, versehrte Dinge zu bauen oder mitzubringen. Diese sollten zwar Defekte aufwiesen, aber noch funktionstüchtig sein. Mit ihren Fehlfunktionen würden sie, so die Überlegung, den menschlichen Nutzer_innen nämlich Verhaltensweisen auferlegen, die sich vom Umgang mit intakten Dingen unterschieden. Unter anderem sollten sich an diesen Differenzen die Konsequenzen der vorbehaltlosen Anerkennung der Dinge zeigen, indem sichtbar und spürbar wurde, wie die versehrten Dinge den Menschen formen. Zudem sollten Situationen und Geschichten zu den versehrten Dingen entwickelt werden, in denen sie sich darboten. Ziel war es, eine Ausstellung der versehrten Dinge und deren menschlichen Präsentierenden zu erstellen, durch die Besucher_innen sich frei bewegen konnten.
So entstand z. B. ein Arbeitsplatz mit einer fehlgeleiteten Computermaus, die Nutzer_innen beim Zeichnen mit dem Computer oder bei einem Computerspiel nicht mehr kontrolliert einsetzen konnten. Die Maus vollführte vielmehr eigensinnige Bewegungen. Die gestörten Mausbewegungen hatten allerdings durchaus interessante Effekte, denn aus ihnen erst entstanden ungewöhnliche Zeichnungen, die ohne sie nicht möglicht gewesen wären. Eine andere Arbeit war das „Betreuungszentrum für grenzüberschreitende Geräte“ (BGG). Hier konnten versehrte Dinge zur Betreuung abgegeben werden, damit sie nicht allein und unbeaufsichtigt zu Hause Schäden anrichten. Um dieses BGG entspann sich eine ganz eigene Welt, die von psychologischen Schulungen von Geräte-Kooperator_innen für einen angemessenen Umgang mit technischen Dingen bis hin zu neuen Studiengängen für z. B. Elektropädagogik reichte. Schließlich wurden konsequenterweise Datenrechte zu einem wichtigen Thema, da die technischen Dinge aus Operationen mit Daten bestehen. Werden diese ernst genommen, so die entsprechende Magna Carta, dann sei Daten z. B. das Recht auf Bewegungsfreiheit zuzugestehen. Sie dürften also nicht durch Schutzmechanismen menschlicher Agierender aufgehalten werden. In Frage stand: „Wollt ihr die totale Daten-Transparenz?“. Vor allem solche Radikalisierungen sollten für Verwirrung und vielleicht auch Widerspruch sorgen.
Die Studierenden führten zudem Touren durch die Ausstellung durch, während derer sie den Besucher_innen das Für und Wider der neuen Ding-Welten und Techno-Ökologien priesen. Sie agierten dabei als „Trickster“ (Gespräch mit Prof. Dr. Erhard Schüttpelz, Die Figur des Tricksters, 29.11. 2015), d. h. als jene betrügerischen und trickreichen Doppelwesen, die Menschen in unauflösbare widersprüchliche Ordnungen drängen. Indem sie während der Führung umstandslos von einer Sichtweise in die andere sprangen, verwirrten sie die Geführten zunehmend. Sie konnten gar nicht so schnell denken und sich verhalten, wie sie mit widersprüchlichen Inputs überschüttet wurden. Gerade in der heftigen Überforderung sollte die Chance liegen, einen „Affekt des Denkens“ auszulösen, der Momente der Unterbrechung sowie Räume impulsiver Reflexion schafft.
Die Ausstellung und die Performances zeigten einen erstaunlichen Effekt. Mit der Eulenspiegelei entstand eine regelrechte Parallelwelt der Handlungsagenturen von Dingen und Menschen. Sie glich einem sehr zeitnahen Science Fiction, in dem das, was heute gesagt wird, schon zur Alltagskultur geworden ist. Die Performenden agierten zudem derart überzeugend, dass die Besucher_innen von der Logik dieser Welt verführt wurden. Dies zeigte sich etwa daran, dass sie ungeplant und ungefragt in die „Welt der gleichberechtigten Dinge“ einstiegen. So erzählte die Medienwissenschaftlerin Manuela Klaut, während ihres Besuchs der Ausstellung, Geschichten von ihrer Kaffeemaschine. Sie äußerte die Sorge darüber, dass das Gerät zu oft allein zu Hause sei, was sich nun wahrscheinlich in einer schlechteren Durchführung der Herstellung des Milchschaums bemerkbar mache. Die Sogwirkung der Performances verweist allerdings nicht nur auf eine Lust am Spiel. Sie macht auch deutlich, dass verkörperte Ding-Diskurse und Techno-Ökologie von Faszinationen, Lust und Begehren angetrieben sind, was es notwendig und dringlich macht, diese zu untersuchen. Denn sie verweisen auf eine mögliche Antwort auf die Frage, woher es kommen kann, dass menschliche Agierende wider besseres Wissen Unmengen von Daten abgeben und sich selbst optimieren.
Die avisierte reflexive Ebene sowie Standorte der Kritik stellten sich in diesem Projekt auf Seiten der Ausstellungsmacher_innen wie der Besucher_innen im radikalen Verkörpern und Erleben der theoretischen Visionen und Diskurse ein. Das heißt, im Handeln wurde Theorie reflektier- und kritisierbar. Dass Standorte der Kritik in der Kunstwelt und aus dem Verhalten in dieser heraus entstanden, ist als ein Befund zur Beantwortung der Frage zu bewerten, wie Kritik in digitalen Kulturen ob deren Ubiquität und Intransparenz noch möglich sein kann. Denn in diesen gehen die dafür bis dahin als notwendig angesehene Distanz und ein Außen verloren. Durch die Verkörperung der Theorien wurde in der Ausstellung nun zum einen Kritik aus ästhetischer Erfahrung und zum anderen eine ästhetische Erfahrung von Kritik möglich, die in zweifacher Weise über tradierte Formen der Kritik hinaus geht und dabei auf die Bedingungen von Kritik in digitalen Kulturen antwortet. Traditionelle Formen haben erstens gemeinhin weder Performances noch Materialitäten als Diskurse im Blick, die in der Ausstellung nun eingespielt und erlebbar gemacht wurden. Auf diese Weise wurden erst kritische Aspekte der genannten Theoriebildungen herausgeschält. Zweitens wird das performende Testen von theoretischen Modellbildungen bisher noch nicht im Kanon wissenschaftlicher Forschung und Kritik geführt. Es soll hier nun aber als probate Methode für eine Kritik in digitalen Kulturen angeführt werden, die sich aus drei Punkten zusammensetzt. Es wird mit der verkörpernden Kritik die den tradierten Formen der Kritik inhärente (1) Bewertungshoheit und Definitionsmacht (Irit Rogoff, Vom Kritizismus über die Kritik zur Kritikalität, Webjournal eipcp – European Institute for Progressive Cultural Policies, 2003) unterlaufen. Denn auf Grund der Tatsache, dass man (2) nicht außerhalb (Irit Rogoff, Vom Kritizismus über die Kritik zur Kritikalität, Webjournal eipcp – European Institute for Progressive Cultural Policies, 2003) der Situationen stehen kann, die man kritisiert, ist eine herausgehobene Haltung Einzelner nicht mehr so fraglos wie bisher aufrechtzuerhalten. Diese Disposition ermöglicht es schließlich, eine Form der Kritik zu denken, die die Dichotomie von (3) Innen und Außen (Irit Rogoff, “Looking Away: Participations in Visual Culture”, in: Gavin Butt (Hg.), After Criticism: New Responses to Art and Performance, Oxford: Blackwell Publishing 2005, S. 117–134, PDF) sowie von Subjekten und Objekten überwindet, ohne deshalb die Fähigkeit zur Reflexion aufzugeben. Diese „Praxis der Kritik“ wird als spezifische Methode für digitale Kulturen herausgeschält, die im Modell des „Kulturen Bildens“ mündet.
Wir befinden uns in einer diffizilen und brisanten Lage. Digitale Kulturen lassen sich nämlich nicht mehr mit den bis dato vor allem von der Medienwissenschaft entwickelten Theorieansätzen und Methoden untersuchen. Dazu gehörten z. B. das Diktum eines technischen Apriori, nach dem allein Medien unsere Lage bestimmen, sowie die Untersuchung von Einzelmedien. Die letztgenannte Sichtweise ist nicht mehr haltbar, da statt Medien global verteilte und oft nicht sichtbare Infrastrukturen (etwa: Internet, Clouds, Server) sowie deren algorithmische Steuerungen eine entscheidende Rolle spielen. In diese sind Medien oder nunmehr sogenannte Endgeräte zwar eingelassen. Sie spielen allerdings nicht primär als solche, sondern vor allem als Knotenpunkte in vernetzten Systemen eine Rolle. (Es wäre gleichwohl, so sei angemerkt, nicht ratsam, Medien gänzlich zu verabschieden oder zu negieren, wie dies im aktuellen Diskurs (Vgl. exemplarisch) teilweise geschieht. Denn sie sind weiterhin existent und beeinflussen z. B. durch ihre technologische und designerische Konstitution Verhaltensweisen und ermöglichen Weltordnungen. Zu denken wäre etwa an die wischende Gestualität von Smartphones und die mit ihnen halluzinierte Omnipräsenz. Dass die Bedeutung von Medien heruntergespielt wird, ist wohl eher als ein Symptom innerhalb der hier beschriebenen technologischen Umstellungen und daraus resultierenden diskursiven Neu-Beschreibungen digitaler Kulturen zu sehen. Denn nur wenn Medien ausgeblendet werden, kann die Denkfigur einer infrastrukturellen Umwelt richtig greifen.) Statt des technischen Apriori ist zweitens, so der aktuelle Stand der Forschung, ein komplexes Wechselspiel zwischen Technik und kulturellen Lebensformen für die „Lage“ verantwortlich. Medienwissenschaft ist entsprechend auch schon dabei, sich in eine medienwissenschaftlich informierte Kulturwissenschaft zu verabschieden, was damit einhergeht, jegliches Apriori – sei es sozial, technisch oder kulturell ausgerichtet – zugunsten des Zusammenspiels aufzugeben.
Ausgangspunkt der prekären Lage sind technologische Entwicklungen und epistemologische Bedingungen, die mit der Kybernetik in den 1950er Jahren einsetzten und die je anders erzählt (Robert Feustel, Eine andere Ordnung der Dinge? Foucault, Baudrillard und die Kybernetik, in: Foucault-Blog (Universität Zürich), Oktober 2015) werden können. Entscheidend für die aktuelle Lage ist, dass im kybernetischen Diskurs z. B. Mensch und Technik, Natur und Kultur oder soziale und künstlerische Prozesse gleichermaßen in informationsverarbeitende Operationen überführt wurden. Damit war eine besondere, in Sprache und Bewusstsein begründete Stellung des Menschen nicht mehr haltbar. In diesem epistemologischen Kontext wurde Sprache mit der Sprechaktheorie von Austin (John L. Austin, How to Do Things with Words, Cambridge MA: Harvard University Press 1962, PDF) zudem auf das Ausführen von Handlungen im Sinne von operativen Vollzügen gebracht und die Beschäftigung mit Bewusstsein zum Studium des beobachtbaren Verhaltens von Input- und Output-Ereignissen im Ist-und-Soll-Abgleich. Die bis dahin gültige Sicht auf einen instrumentellen Gebrauch von Technik schließlich wurde durch deren Umordnung zur Selbstorganisation unterlaufen. Die unterschiedlichen Agierenden wurden dabei ob ihrer informatischen und dichotome Unterscheidungen unterlaufenden Konstitution in den 1960er Jahren in großen technischen Systemen für gemeinsame Operationen zusammengeführt. Diese Systeme können als die Vorläufer der oben erwähnten, mit smarten Dingen durchsetzten, zeitgenössischen technischen Infrastrukturen (u. a. Internet der Dinge) gelten, die als technologische Umwelten entworfen werden, aus denen es kein Entkommen gibt.
Vor dem Hintergrund dieser technikgeschichtlichen und techno-epistemologischen Umstellungen driften aktuelle medien- und kulturwissenschaftliche Diskurse und künstlerische Praktiken, technologische Entwicklungen sowie z. B. Forschungen im Bereich der Neurowissenschaften und der synthetischen Biologie zu einem, wie es hier interpretiert werden soll, „Dispositiv des Technosphärischen“ zusammen. In diesem verbinden sich Diskurse, Wissenschaft, Praktiken, Institutionen und Politiken zu einer techno-affektiven Umwelt, in die menschliche Agierende in einem techno-ökologischen Sinne eingelassen sind und folglich sozio-technologisch denken, fühlen, handeln und behandelt werden. Das „Technosphärische“ konstituiert sich mithin aus einem Zusammenspiel von technologischer Selbstorganisation und dem Umwelt-Werden von Technik mit einer Entmachtung des Menschen. Diskurse zur Auflösung des auf sich gestellten Anthropologischen in Tierisches, Materielles, Affektives und Nicht-Bewusstes verbinden sich dabei kongenial mit Theorien zu einer vor-bewussten, techno-affektiven Partizipation (Jussi Parikka, Whitehead into media theory, in: Machinology, Machines, noise, and some media archaeology, 8.2.2011, Vgl. auch: Mark B. N. Hansen, „Medien des 21. Jahrhunderts, technisches Empfinden und unsere originäre Umweltbedingung“, in: Erich Hörl (Hg.): Die technologische Bedingung. Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt, Frankfurt/M. 2011, S. 365–409) an technologischen Umwelten. Folgerichtig sollen sich menschliche Agierende und technische Dinge in symmetrischen Handlungsagenturen befinden.
Der entscheidende Schritt im technosphärischen Dispositiv ist nun, dass Technologie, Mensch und Existenz auf einer weitaus tiefer liegenden Ebene verquickt werden und dabei unwiderruflich eine neue Konstitution und Position für menschliche Agierende entwickelt wird. Exemplarisch dafür ist z. B. eine Neu-Beschreibung von Algorithmen, wie sie Luciana Parisi (Luciana Parisi, Erich Hörl: „Was heißt Medienästhetik? Ein Gespräch über algorithmische Ästhetik, automatisches Denken und die postkybernetische Logik der Komputation“, in: Medienästhetik (Hg. Erich Hörl, Mark B. N. Hansen), Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM) 8, 2013) vornimmt. Die Auseinandersetzung mit Algorithmen ist für die Bestimmung und Untersuchung des Dispositivs des Technosphärischen von besonderem Interesse, da sie die Techno-Umwelten unbemerkt steuern, die mit ihnen entstehenden gouvernementalen Effekte und Affekte (Vgl. zur „Algorithmischen Gouvernementalität“ richtungsweisend: Antoinette Rouvrouy) aber gerade im Dispositiv verdeckt werden. Sie sind zudem Grundlage dafür, das Maschinische als Agens zu denken und mit ihm zu kooperieren. Der entscheidende Schritt im Technosphärischen ist nämlich, Algorithmen selbst als gleichsam lebendige Operatoren und Partner neu zu entwerfen und damit tradierte Vorstellung von Mensch und Technik abzulösen. Algorithmen sieht Parisi entsprechend nicht länger als Operatoren einer Abarbeitung von festgelegten Handlungsvorschriften zur Problemlösung an, sondern vielmehr als eine maschinische Form des Empfindens sowie des automatischen Denkens. Algorithmen werden damit nicht nur als Teil einer kybernetisierten Umwelt zu einer gigantischen Erfassungsmaschine (Parisi) für Affekte. Sie überschreiten zudem eine nur symbolische Welterzeugung und werden generisch. Über technische Chips z. B. operieren Algorithmen nämlich laut Parisi im Realen und schaffen in der Immanenz eine neue, techno-ökologische Evolution. Ob der Schichtungen von Algorithmen sowie auf Grund ihrer Selbstorganisation würden sie zu einer eigentätigen Matrix von Emergenz, Neuheit und Unberechenbarkeit, deren evolutionäre Ereignisse und Ergebnisse irreversibel sind. Die algorithmischen Umwelten oder auch die Softwareisierung (softwarization, Parisi) des Lebens bedeuten mithin ein Sein in Unberechenbarkeit und Techno-Evolution. Effekt dieser Entwürfe von Parisi ist, so wäre zu folgern, eine Symbiose von Materiellem und Code, die sich z. B. gentechnisch oder bio-synthetisch im Handlungsmodus des Designens und Re-Designens sowie des Testens und Reparierens (Orit Halpern, Jesse LeCavalier and Nerea Calvillo, “Test-Bed Urbanism,” in: Public Culture, März 2013. PDF) vereinen. Was Natur oder Kultur als klar umrissene Entitäten waren, wird nun zu einem Experimentierfeld in einem Environment algorithmisch gesteuerter und kontrollierter Modifikation und Transformation. Der Horizont des technosphärischen Dispositivs ist dann auch der Übergang vom Anthropozän zum Post-Anthropozän (Benjamin H. Bratton, Some Trace Effects of the Post-Anthropocene: On Accelerationist Geopolitical Aesthetics, in: e-flux 2013), d h. zu einer Welt, die nicht mehr nur „more than human“ ist, (Erin Manning, Always More Than One, Durham NC: Duke University 2013) im Sinne eines Seins im Relationalen. Es geht vielmehr um eine Denkfigur, so nach Bratton, in der Mensch als Ahne synthetischer Lebewesen und geschichteter, selbstorganisierter Infrastrukturen gedacht wird. Es stellt sich irgendwie das Gefühl einer kaum fassbaren „Leichtigkeit des Seins“ ein.
Diese neuen, sogenannten schwachen Ontologien sind mithin äußerst faszinierend. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sie das Versprechen mit sich führen, Menschen eine Position sowie neue Formen von Handlungsmöglichkeiten im sie jenseits von Wissen, Denken und Bewusstsein umfänglich erfassenden „Sensing“ und transformierenden Technosphärischen zu geben. Diese neuen Handlungsformen, Positionierungen und Affizierungen werden zudem als eine Ethik der Einordnung in Geosphären gepriesen, mit der gegebenenfalls Krisen und Katastrophen bewältigt werden können, die auf das Konto menschlicher Hybris gehen.
Problematisch an dieser Faszinationsgeschichte ist allerdings, dass die neuen Ontologien zugleich Politiken in sich tragen, die es zu erkennen und zu reflektieren gilt. So hat z. B. das Interesse am Affektiven und Materiellen auch damit zu tun, dass mit dem Fokus auf dieses mehr Dimensionen menschlicher Agierender erfasst und formalisiert werden können, um einerseits in eine Datenökonomie überführt und andererseits zum Zwecke der Regulierung eingesetzt zu werden. Ein Beispiel dafür ist das „S-1 Speculative Sensation Lab“ von Mark B. Hansen. Die Mitarbeiter_innen beschreiben das Lab:
“Our collaborative work uses biometric and environmental sensing technologies to expand our access to sensory experience beyond the five senses. Our work is informed by the premise that digital technologies have opened new vistas for accessing and conceptualizing our robust embodied contact with the sensory environments in which we live. Our projects aim to explore this enhanced contact and to make the sensory experience it involves more intense. […] assisted by the array of biometric sensing devices that can report on the states of such bodily functions as heartrate, galvanic skin response, eye movement, and brain wave activity, we can gain indirect, technically-mediated insight into the bodily states […].
[…] By exploring the concrete agency of ‘worldly’ sensation beyond the five human senses and prior to the separation of body and world, we hope to better understand and to experiment with what we believe to be at issue in today’s (and tomorrow’s) ‘smart’ environments: the dispersal of subjectivity across scales and the shift in its locus from closed systems to complex, multi-tiered environmental processes.”
Was als neue Erkenntnis in die vorbewusste Weltverbundenheit des Körpers geradezu gefeiert wird, ist immer auch ökonomisch und kontrollierend einsetzbar.
Ein weiteres Beispiel für problematische Aspekte des Technosphärischen sind Ideen von einer „Plastizität“ des Menschen, wie sie in Parisis algorithmischen Visionen vorkommen oder in Charlotte Malabous (Jan Slaby, “The Brain is what we do with it. Review of C. Malabou ‘What should we do with our brain?’”, Journal of Consciousness Studies 17, 2010, S. 235–240, PDF) Arbeiten prominent werden. Diese lassen sich nicht mehr trennscharf von den neoliberalen Politiken der Selbstausbeutung flexibler Individuen unterscheiden. Denn im Fahrwasser des informationstechnisch grundierten Technosphärischen wird der „Mensch“ als reine Formbarkeit und Widerständigkeit eben auch zum Ort des Geformt-Werdens, trotz oder gerade wegen aller Widerständigkeit.
Die große Herausforderung besteht also darin, Neu-Beschreibungen zu erarbeiten, wie dies die Konstitution digitaler Kulturen durchaus erfordert, ohne dabei die Politiken und gouvernementalen Aspekte der Neu-Beschreibungen zu übersehen. In digitalen Kulturen ist, so die These, von einer unhintergehbaren Gleichzeitigkeit dieser beiden Vorgänge auszugehen, sodass ein unerlässlicher und unausgesetzter Spagat zwischen Beschreibungen und Reflexion nötig sein wird.
Bei diesem Unterfangen gilt es allerdings, nicht in tradierte Konzepte von „dem Menschen“ zurückzufallen, denn die Gewordenheit des Anthropologischen ist nicht zu unterlaufen. Ideen eines dem Techno-Sozialen vorgängigen Menschen sind zudem deshalb obsolet, weil sie Teil des Entwurfs des Anthropologischen unter den technischen und kulturellen Bedingungen der vernunftgläubigen Wissenschaften (Vgl. Florian Sprenger, Insensible and Inexplicable – On the two Meanings of Occult. In: Communication+1, 4, 2014) des 18./19.Jahrhunderts sind. Ausgangspunkt wäre eher eine „Anthropomedialität“, wie Christiane Voss sie einführt und beschreibt, auch wenn diese wiederum nur eine Weise der Erzeugung des Anthropologischen ist:
„Anthropomedialität beschreibt mit der Verschränkung von Mensch und Medien ein eigenständiges Drittes, das jeder Unterscheidung von Mensch und Medien als deren Ursprung vorausgeht. Damit wird sowohl das mediale als auch das anthropologische Apriori abgelöst, die in ihrer Frontstellung bisher diskursbestimmend waren.“
Kompetenzzentrum Medienanthropologie, KOMA, 2015, uni-weimar.de
Statt weiterhin definierbare Entitäten anzusteuern, gehe es um Konfigurationen, oder noch einmal mit Christiane Voss:
„Der leitende Begriff […] der Anthropomedialität, soll den vielfältigen und gleichermaßen irreduziblen Verschränkungen des Medialen und des Anthropologischen unter zwei übergeordneten Aspekten Rechnung tragen: dem ihrer wechselseitigen Verfertigung und dem ihrer reziproken Verschiebung.“
Vor diesem Hintergrund ist es nun die Aufgabe, die Neu-Beschreibungen als Diskurse zu lesen und lesbar zu machen und dennoch deren Potenziale für ein Verstehen digitaler Kulturen sowie den Umgang mit ihnen herauszuschälen. Das heißt, es geht darum, die Lage digitaler Kulturen zu beschreiben, ohne die Beschreibungen von deren Symptomen als Nachweis eines substanziellen Soseins zu ontologisieren. Denn damit würde dem politischen und ökonomischen Nutzen der Theorien zugespielt, denen diese ja gerade ausweichen wollten. Dabei ist zu beachten, dass die Massierung der Neu-Beschreibungen im Relationalen auch auf eine Notlage hinweisen könnte, die nicht übergangen werden dürfte, sondern erkannt und mit Lösungsvorschlägen bedient werden müsste. These ist, dass es um eine Neu-Beschreibung des Menschen in Zeiten technologischer Selbstorganisation sowie um Theoriebildung im Kontext von nicht mehr gänzlich verstehbaren technologischen Umwelten geht. Wie also könnten die technologischen Affizierungen der Menschen durch smarte Objekte beschrieben werden, ohne der Affektindustrie zuzuarbeiten? Wie könnten die technologischen Umwelten z. B. beschrieben werden, ohne den Anspruch auf Totalität zu übersehen, den sie sowie die Diskurse der schwachen Ontologien mit sich führen?
Sind die beschriebene Ambivalenz und das ständige Changieren zwischen Neu-Beschreibung und politik-affiner Ontologisierung, zwischen Wissen und Nicht-Wissen sowie der skizzierte Spagats zwischen Kritik und Neu-Beschreibung konstitutiv für digitale Kulturen, dann bedarf es methodischer und theoretischer Verfahrensweisen, mit ihnen umzugehen. Welche Verfahrensweisen angemessen wären, erschließt sich aus einer Begründung für das Aufkommen der ambivalenten Lage. Die hier beschriebene diskursive und techno-kulturelle Verfasstheit digitaler Kulturen, gemeint sind ihre Alltäglichkeit, Ubiquität und Affektivität sowie das auf diese antwortende „Dispositiv des Technosphärischen“, läuft parallel mit der Konstitution wissenschaftlicher Forschung zu digitalen Kulturen. Diese können nicht mehr ohne sogenannte digitale Tools untersucht werden. Das heißt, die Technologien und Methoden, die genutzt werden, spielen in bisher nicht gekannter Weise in die Forschung selbst hinein und bestimmen, was erkannt und wie es dargestellt werden kann. Dies gilt nicht nur für Forschungen zu und mit Big Data, sondern letztlich für jede wissenschaftliche Tätigkeit, die in digitalen Kulturen nicht mehr jenseits algorithmischer Steuerungen stattfinden kann. Diese Konstitution erfordert eine ständige Selbstreflexion wissenschaftlichen Arbeitens, um den Anteil der Methoden und Tools an den Ergebnissen zu erfassen und herauszustellen, was wiederum den Einsatz digitaler Technologien erfordert. Diese Selbstreflexion der Forschung wird hier nun auch als Methode vorgeschlagen, um die Forschung zu digitalen Kulturen selbst beständig ob ihrer Ambivalenz zu befragen. Denn, so die Überlegung, der Technizität der Forschung entspricht die Ambivalenz des Changierens insofern, als Gegenstand und Methode nicht mehr trennscharf sind.
Diese Selbstreflexion wird unterdessen z. B. in der medienwissenschaftlichen Forschung auch schon explizit eingefordert. So lautet eine Beschreibung der Lage auf der Website der von der DFG finanzierten Symposiumsreihe „Digitalität in der Geisteswissenschaft“, verantwortet von Sybille Krämer, Martin Huber und Claus Pias:
„Die Verwendung digitaler Verfahren und Technologien in der geisteswissenschaftlichen Forschungspraxis nimmt zu. Eine umfassende Reflexion dieses Prozesses ist nötig und sie steht noch aus. Es ist anzunehmen, dass Digitalität die Untersuchungsgegenstände in den Geisteswissenschaften, ihre Epistemologien und die Prämissen ihrer Erkenntnisansprüche, das disziplinäre Selbstverständnis der geisteswissenschaftlichen Fächer, wie auch deren Forschungspraktiken verändert.“
Eine bereits erprobte und probate Methode für diese Aufgabe der unausgesetzten, für die Forschung unabdingbaren und zugleich konstitutiven Selbstreflexion ist z. B. transdisziplinäre Forschung (Ulli Vilmsmaier, Matthias Bergmann, Transdisciplinary research: mixing methods, 2014). Sie wird unterdessen als „Königs-Methode“ wissenschaftlichen Arbeitens in und zu digitalen Kulturen herausgestellt. Bezogen auf die Selbstreflexion bietet sich das Transdisziplinäre nämlich an, da mit diesem Ansatz in der Auseinandersetzung zu konkreten Problemlagen verschiedene soziale Gruppen sowie Wissens- und Forschungskulturen für integrale Lösungsversuche (Ulli Vilsmaier, Martina Fromhold-Eisebith, „Das transdisziplinäre Lehrprojekt ‚Leben 2014’: Perspektiven der Regionalentwicklung in der Nationalparkregion Hohe Tauern“, in: W. Gamerith, P. Messerli, P. Meusburger, H. Wanner (Hg.): Alpenwelt – Gebirgswelt. Inseln, Brücken, Grenzen: Tagungsband zum 54. Deutschen Geographentag 2003, S. 407–416, PDF) zusammengeführt werden. Diese Verquickungen erfordern eine andauernde Kommunikation und Selbstreflexion, um ein wechselseitiges Verstehen überhaupt erst zu ermöglichen. Diese Hinwendung zu transdisziplinärer Forschung ist auch in der Medienwissenschaft sichtbar, wenn sie von der großen historischen Geste auf Fallbeispiele (Vgl. exemplarisch das Graduiertenkolleg „Locating Media“ an der Universität Siegen) umstellt. Mit deren Untersuchung wird zugleich einer Forschung Rechung getragen, die jenseits von Aprioris ausgehend vom Theorem des unaufhebbaren Zusammenspiels von Technologie und Kultur operiert.
Selbstverständlich wären sowohl die Methoden transdisziplinärer Forschung als auch der Mix von Methoden einer Reflexion hinsichtlich ihrer epistemologischen Effekte (Gegenworte. Hefte über den Disput in den Wissenschaften. Zwischen den Wissenschaften, 28. Heft 2012, PDF) zu unterziehen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Selbstreflexion der Forschung, wie sie auch immer hergestellt sein mag, nicht nur eine unabdingbare Methode ist, sondern zugleich ein epistemologischer Apparat, der sich auf Wissen sowie auf die Konstitution von Subjekten auswirkt. Wo Wissen nur noch bedingt zu haben ist, werden Subjekte durch Nicht-Wissen konstituiert und regiert. Damit arbeitet die Methodologie der Selbstreflexion in digitalen Kulturen letztlich dem technosphärischen Dispositiv insofern zu, als es auf Grund der entworfenen Konstitution von Wissen und Wissenschaft keine Widerständigkeiten oder Letztbegründungen mehr geben kann. Damit werden veränderliche Relationen und Konfigurationen sowie Formbarkeit und Re-Design gleichsam als einzig mögliche Existenzweisen und Epistem vorgegeben. Effekt ist mithin das Heraufkommen einer rein experimentellen, algorithmisch geregelten Existenz.
Zugleich bilden diese Methoden und diese Konstitution eine Möglichkeit, noch Orte eines „relativen Außens“ für Kritik zu ermöglichen. Es entsteht eine neue Form und Methode der Kritik, die eine Art immanentes und selbstbezügliches Außen meint; ein Gespann bestehend aus einem „Innen des Außen“ und einem „Außen des Innen“ entsteht. Diesem entspricht eine Methode des permanenten Neu-, Wieder- und Umdenkens, mit der man immer drin ist und dieses Drin-Sein reflektiert und variiert.
Eine weitere Methode der Selbstreflexion für digitale Kulturen wurde nun mit dem Ausstellungsprojekt zu versehrten Dingen entwickelt und erprobt. Es ging um eine verkörpernde, praktische Forschung, d. h. eine „Praxis der Kritik“ mit Hilfe der Verkörperung von Theorien und Diskursen. Im Fokus standen dabei die aktuellen, soeben skizzierten und analysierten Neu-Beschreibungen digitaler Kulturen und deren Politiken. Die Ausgangsthese war, dass digitale Kulturen nicht nur im Zusammenspiel von technologischen, kulturellen und sozialen Aspekten entstehen, sondern vielmehr die Diskurse zu diesen entscheidend an deren Herausbildung und Gestaltung sowie ihrer gouvernementalen Wirksamkeit beteiligt sind. Es ist Aufgabe, diese „Praxis der Kritik“ hier stark zu machen, indem ihre Potentiale dargelegt und analysiert werden sowie das Konzept im aktuellen Kontext der Diskussion zu Formen der Kritik verhandelt wird. Zudem soll Selbstreflexion als Königs-Methode der Forschung in digitalen Kulturen zunächst vor allem auf diese selbst angewandt werden. Diese lehrt, dass digitale Kulturen anders aussehen könnten, wenn sie in anderer Weise beschrieben würden.
Die kritische Auseinandersetzung in der Ausstellung bezog sich auf das „Dispositiv des Technosphärischen“, das hier als Beschreibung der techno-diskursiven Konstitution digitaler Kulturen vorgeschlagen wurde. Sie fokussierte dabei auf die Ding-Diskurse, da in ihnen die Grundlagen und Konsequenzen des Dispositivs materiell und greifbar werden. Es wurde deutlich, dass sich mit der Gleichberechtigung von Dingen Rolle und Funktion menschlicher Agierender zwangsläufig verändern, sodass die Wirklichkeiten einer operativen Techno-Sozio-Logik ablesbar werden. Die Auseinandersetzung mit Daten spielte im Projekt eine wichtige Rolle, da die Bezugnahme auf Dinge ohne die Betrachtung von Infrastrukturen und Algorithmen, in die sie verwoben sind und von denen sie geregelt werden, nicht möglich ist.
Vor diesem Hintergrund ging es im Projekt darum, Methoden der Selbstreflexion zu entwickeln und zu erproben. Es wurde das Format der Ausstellung sowie der Performance gewählt, weil davon ausgegangen wurde, dass sie konkreter und drastischer als reine Theorie eine Reflexion der aktuellen Diskurslandschaft ermöglichen. Denn diese künstlerischen Verfahrensweisen erstellen Handlungsräume und spielen Modelle durch. Um die Effekte und Konsequenzen herauszuarbeiten, wurde eine Paarung von zwei künstlerischen Methoden vorgenommen. Die Eulenspiegelei im Sinne einer 1:1-Aneignung, d.h. eines Wort-Wörtlich-Nehmens (Bazon Brock) theoretischer Modellierungen, wurde mit sensibler Übertreibung verbunden, die sich z. B. in Über-Affirmation, Über-Identifikation und übertriebener Verkörperung zeigt. Auf diese Weise werden nämlich Situationen auffällig, so dass deren Effekte sichtbar werden. Zugleich dürfen sie nicht zu abstrus erscheinen, sondern müssen als wahrscheinlich empfunden werden.
Die Überlegung war, dass es nur allzu leicht ist, über die Abschaffung des autonomen Menschen, die Gleichberechtigung von technischen Dingen sowie über vor-bewusste und affizierende technische Umwelt zu schreiben. Wie aber sähen sie in der Praxis aus? Und vor allem, wie weit wären wir bereit zu gehen in der Selbst-Abschaffung? Ziel war es, aus der ästhetischen Erfahrung eine kritische Analyse zu ermöglichen, aus der Korrekturen der ontologisierenden Beschreibungen oder andere Neubeschreibungen vorgenommen werden könnten. Es wurde mithin als künstlerische Forschung an lebendigen menschlichen Agierenden ein Experiment zur Erprobung der aktuellen Diskurslandschaft durchgeführt. Die Konsequenzen der theoretischen Beschreibungen digitaler Kulturen waren dabei nicht vorab bekannt, sondern sie schienen erst in der konkreten Auseinandersetzung auf. Es entstand eine regelrechte Parallelwelt mit einer eigenen Logik, die den Fortgang der Arbeit erst leitete und regelte.
Der Zugang zum Projekt erfolgte über die Auseinandersetzung mit zentralen Texten aus der skizzierten aktuellen medienwissenschaftlichen Diskussion, die als Grundlage für die zu entwickelnden praktischen Arbeiten dienten. Sie wurden als „Basistexte“ bezeichnet. Sie sollten nicht nur inhaltlich und diskursanalytisch, sondern auch auf ihre Spieltauglichkeit hin gelesen werden. Das heißt, es galt einerseits zu erkunden, welche Über-Affirmationen sie zuließen, würden sie als Handlungsanweisungen gelesen. Andererseits sollte auf die Anschaulichkeit der Beschreibungen geachtet werden, so dass sie als narrative Texte genutzt werden konnten, die Situationen beschreiben, Atmosphären erzeugen oder eine Art Science Fiction Erzählung ermöglichten. Wissenschaftliche Texte wurden mithin unter literarischen und performativen Aspekten betrachtet und erprobt. Es war zudem für die Vorbereitung der eingangs beschriebenen „Trickster-Führungen“ durch die Ausstellenden auf Argumente zu achten, aus denen sich Pro- und Contra-Assemblagen zu Ding-Diskursen, Techno-Ökologien und Anthropomedialität ableiten ließen.
Diese Aufgabe sowie diese Methode sollen nun an ausgewählten Bausteinen aus Basistexten exemplarisch nachvollzogen werden. Dabei werden solche Passagen gewählt, die gut performt werden konnten, weil sie einen besonderen Klang haben sowie interessante Atmosphären erzeugen und Performances ermöglichen. Nach diesen Maßgaben werden erstens Texte relevant, die die diskursiv erzeugte Lage des Technosphärischen besonders plastisch beschreiben. Zweitens sollen solche Argumente vorgestellt werden, die die sich konstituierenden schwachen Ontologien kritisch analysieren.
Es geht mithin um den Versuch, an dieser Stelle eine Art textueller Trickster-Dramaturgie herzustellen. Diese Dramaturgie soll ein diskursives Becken ermöglichen, in dem sich widersprechende Ansichten so zusammenkommen, dass bei Leser_innen ein Reflexionsreflex und -prozess ausgelöst wird.
Bibliografische Hinweise
BRUNO LATOUR: Elisabeth von Thadden, Die Kühe haben das Wort. (Interview mit Bruno Latour. Hinzufügung M.L.), in: Zeit online, 30. November 2000, http://www.zeit.de/2000/49/Die_Kuehe_haben_das_Wort/komplettansicht)
ENGEMANN/SPRENGER: Christoph Engemann, Florian Sprenger, „Im Netz der Dinge. Zur Einleitung“, in: Christoph Engemann, Florian Sprenger, Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt. Transcript, Bielefeld 2015, S. 7–58.
JENS SCHRÖTER „Das Internet der Dinge, die allgemeine Medienökologie und ihr ökonomisch Unbewusstes“, in: Christoph Engemann/Florian Sprenger (Hg.): Internet der Dinge – Smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt, Bielefeld: transcript 2015, S. 225–240 (http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3046-6/internet-der-dinge)
MARK B. HANSEN, „Medien des 21. Jahrhunderts, technisches Empfinden und unsere originäre Umweltbedingung“, in: Erich Hörl (Hg.): Die technologische Bedingung. Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt, Frankfurt/M. 2011, S. 365–409
Zur Lage
ENGEMANN/SPRENGER: Rechenkraft wandert, darin sind sich alle Beobachter einig, aus den Black Boxes isolierter Endgeräte zunehmend in Umgebungen aus, um dort vernetzt und kontextabhängig auf der Grundlage massenhaft gesammelter Sensordaten zu operieren (S. 9)
ENGEMANN/SPRENGER: Seit einigen Jahren beginnen diese im Einzelnen sehr unterschiedlichen Technologien, unsere Wohnungen, unsere Häuser, unsere Städte zu durchdringen. Die Räume, die solche Technologien aufbereiten, die sie mit ihren Sensoren kontrollieren und aus denen sie Daten sammeln – seien es Wohnzimmer, Küchen, Büros, Supermärkte, öffentliche Plätze, Fahrzeuge oder Fabrikhallen –, werden als Environments, d.h. als gestaltbare Umgebungen aus Information berechnet, synthetisiert, kontrolliert und moduliert. Viele kleine, vereinzelt leistungsschwache, aber interagierende Computer sind in Alltagsgegenstände integriert, miteinander vernetzt und mit der Cloud sowie ihren Datenbanken zum Internet der Dinge verbunden. (S. 9)
ENGEMANN/SPRENGER: Verschoben oder gar aufgehoben wird damit mehr oder weniger explizit die Grenze von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren hin zu einer ‚Dingpolitik‘, […]. Deshalb ist es notwendig, den heutigen Wandel ubiquitärer Medien und seine vielfältigen Effekte nicht allein auf die Digitalisierung und Vernetzung des Alltags, auf soziale Medien und die Potentiale der Kalkulierbarkeit zu beziehen. Das Internet der Dinge […] sollte […] in seiner infrastrukturellen, umgebenden und temporalen Dimension durchdacht werden. Doch wir haben es mit mehr als einer Überlagerung der Welt mit den Netzen eines Internets zu tun. Die Welt des Internets der Dinge impliziert eine Ontologie, in der es nur das gibt, was vernetzt ist. (S.11)
Pro – affirmativ | Contra – Technik- und Wissensgeschichtliche |
Techno-Sphären | Techno-Regime |
MARK B. HANSEN (Nach: ENGEMANN/SPRENGER: Angesichts dieser Neuverteilung nicht nur von Handlungsmacht, sondern auch von sensorischem Vermögen in einem Dauerzustand medialer Übertragung hat Hansen jüngst gefordert, ‚unsere objekt- und unsere körperzentrierten Modelle von Medienerfahrung zugunsten eines radikal umweltlichen Ansatzes aufzugeben’. Hansen sieht in den Netzen von GPS und RFID eine Ausdehnung des Empfindungsvermögens auf Technologien, wodurch mobile Medien in ein ubiquitäres Netzwerk der Distribution von Informations- oder Energieströmen und schließlich auch von Dingen und Menschen eingewoben werden. So würde die Zentralstellung des Menschen als Instanz des Wahrnehmens durch die allgegenwärtige technische Kapazität in Frage gestellt. Die Bedeutung des menschlichen Subjekts als Empfänger medialer Übertragungen sei aufgehoben oder wenigstens fraglich, weil Medien selbst in der Übertragung Daten zur Organisation ihrer Umgebung sammeln, ohne dabei noch auf die Leistungen der Sinneswahrnehmung angewiesen zu sein. (S. 26) | ENGEMANN/SPRENGER: Das Environment des Internets der Dinge ist […] ein berechneter und berechnender Raum, in dem jedes Objekt eine eindeutige Adresse hat, mit der es lokalisiert und positioniert werden kann. Alle derart vernetzten Objekte müssen immer überwacht werden, um die Funktionalität des Raums aufrecht zu erhalten, in dem sich der User bewegt. Deshalb ist innerhalb dieser Sphäre notwendigerweise der Ort aller Objekte bekannt. Ihr Raum wird relational durch die Information über die Koordinaten seiner Objekte konstituiert. Wenn Objekte mit einem RFID-Chip, einem GPS-Empfänger oder einer Netzwerkadresse ausgestattet sind, und wenn dies schlicht alle Objekte betrifft, […] dann werden diese Objekte trotz der beschränkten Reichweite der Infrastrukturen zu einem Raum verbunden, dessen Innen kein Außen mehr kennt. (S. 55)JENS SCHRÖTER: Schon der bloße Begriff ‚Internet der Dinge’ suggeriert eine Zurückdrängung menschlicher Akteure – denn schließlich sollen jetzt die Dinge kommunizieren. Interessant ist, dass Kapitalismus per se so verstanden werden kann, dass die Kommunikation der Dinge (über Preise am Markt etwa) an die Stelle menschlicher Kommunikation tritt. Die Dinge üben bekanntlich gerne ‚Sachzwänge’ aus. Insofern mutet das Internet der Dinge fast wie eine Extension der Ware-Ware-Beziehungen in technologische Form an – und daher ist es wenig verwunderlich, dass das ‚Internet der Dinge’ wesentlich unter der Perspektive der Verwertung des Werts diskutiert wird. (S. 239) |
MARK B. HANSEN: Einzeln betrachtet sind diese Geräte und Technologien natürlich weit weniger komplex als der menschliche Körper und Geist – und zwar um viele Größenordnungen; doch zusammengenommen und durch ihre Fähigkeit, weitgehend ohne Unterbrechung und über eine enorme Bandbreite von Größenordnungen hinweg zu arbeiten, haben sie bereits begonnen, uns durch ihr Vermögen, sensorische Daten zu sammeln und zu erzeugen, in den Schatten zu stellen. (S. 367) | ENGEMANN/SPRENGER: Das Internet der Dinge soll reibungslosen Austausch zwischen allen Skalierungsebenen erlauben, ohne dass der Nutzer etwas davon merken würde. Dafür ist eine massive Aufrüstung der uns umgebenden Infrastrukturen notwendig. Von diesen Infrastrukturen aus ließe sich eine andere Geschichte des Internets der Dinge schreiben […]. (S.29)ENGEMANN/SPRENGER: Es geht nunmehr um die Distribution von Daten und Dingen im Raum. Inwieweit diese Dezentralisierung auf einer Zentralisierung in externen Datencentern beruht, die zur Überwachung der Räume notwendige Sensortechnik zugleich auch kommerziellen Interessen dient und die Neuverteilung letztlich vor allem eine kapitalistische Umverteilung darstellt, diese bislang viel zu selten geführten Debatten drängen sich […] geradezu auf. Im Internet der Dinge geht es mithin darum, Personen, Wissen oder Objekte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort verfügbar zu machen bzw. sie zu steuern oder um ihren Ort zu wissen. (S. 31)
ENGEMANN/SPRENGER: Es ist absehbar, dass die Gestaltungen solcher Relationsräume zwischen Menschen und Dingen Teil gouvernementaler Projekte werden, und entsprechend ist eine Intensivierung der […] Auseinandersetzung um die Konstellationen des Miteinanders und Gegeneinanders von Akteuren des Internets der Dinge und staatlicher Stellen zu erwarten. (S.51) ENGEMANN/SPRENGER: Der Raum dieser Berechnungen ist gerade nicht ubiquitär, sondern an konkrete Infrastrukturen und Praktiken gebunden. Innerhalb dieser ist er jedoch durch die technische Überwachung bis ins Feinste gegliedert. […] Die Frage, die sich […] stellt, lautet, ob in diesem Raum noch Dinge verloren gehen können.? Was seine Adresse verliert oder aus dem Netz verschwindet, was schlicht unter Strommangel leidet oder sich zwischen zu dicken Mauern befindet, ist außerhalb des berechneten Raums. Wenn etwa ein Buch in einer Bibliothek seinen RFID-Chip oder ein Häftling seine elektronische Fußfessel verliert, verschwindet das Objekt spurlos. Das Internet der Dinge setzt damit um, was Gilles Deleuze 1990 noch als Science Fiction erschienen war: Einen ‚Kontrollmechanismus […], der in jedem Moment die Position eines Elements in einem offenen Milieu angibt, Tier in einem Reservat, Mensch in einem Unternehmen (elektronisches Halsband). […] Was zählt, ist […] der Computer, der die – erlaubte oder unerlaubte – Position jedes einzelnen erfasst und eine universelle Modulation durchführt.’ (S. 56) ENGEMANN/SPRENGER: Der Verlust oder der Verzicht auf die Souveränität des Menschen, den die einschlägigen Theorien fordern, sollte mit dieser Umgestaltung und Erneuerung von Souveränität zusammengedacht werden. Wenn die Stacks auf die erläuterte Weise immer mehr die Position transdisziplinärer Souveräne erlangen, die über lokalen Gesetzen und Verordnungen stehen, dann geht es ihnen um die Macht von Menschen über Menschen. Die Instrumente dieser Macht sind jedoch mehr und mehr Maschinen, die mit Maschinen interagieren. Sie wandeln weniger Energie in Leistung als in Information um. Es ginge mithin in einer weiterführenden Perspektive nicht darum, den Menschen in einem antihumanistischen Impuls aufzugeben oder die Maschine als veraltetes Konzept zurückzuweisen, sondern vielmehr beide, gekoppelt an Konzepte wie Souveränität, Arbeit, Handeln, Wahrnehmen oder Denken unter der gegenwärtigen technologischen Bedingung neu durchzuarbeiten. Sie verschwinden nicht, werden aber zu etwas anderem. (S. 57) ENGEMANN/SPRENGER: Die Totalitätsfigur der Ubiquität und ihres Anspruchs eines totalen Einschlusses in eine Welt der Adressierbarkeit verweist auf historische Formationen von Allwissen und Weltschliessung, die in ihren theologischen, aber auch geschichtsphilosophischen Dimensionen bislang kaum reflektiert wurden. (S. 58) |
Symmetrische Handlungsmacht | Agency-Diskurs |
LATOUR: Ich wollte den alten Gegensatz von Subjekt und Objekt hinter uns lassen. Der isolierte Geist und die kalten, toten Dinge, das ist eine Unterscheidung, die sich Descartes, Kant und der modernen Wissenschaft verdankt, aber sie ist überholt. Die Dinge sind zu Hybriden, zu Mischwesen geworden. Menschen und Dinge sind ja ineinander verschränkt. Wir hängen von ihnen ab, sie wirken auf uns ein. Und bilden mit uns gemeinsam Kollektive. | ENGEMANN/SPRENGER: Agency bestimmt demnach, inwieweit ein Akteur zwischen autonomem und vorgegebenem Handeln pendeln darf, wenn Kommunikation mit den übergeordneten Instanzen aufgrund räumlicher Entfernung zu lange braucht, um auf lokale Ereignisse adäquat zu reagieren. Das Konzept der Agency, das in gegenwärtigen Debatten um die Actor-Network-Theory und in den Science and Technology Studies diskutiert wird, aber auch die jüngste Rückkehr zu den Dingen in objektorientierten Philosophien anleitet, hat einen seiner historischen Orte also in diesem Kontrollproblem. Es wird seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kybernetisch formuliert, heute mit dem Internet der Dinge und mit Ubiquitous Computing neu bearbeitet … . (S. 33) |
MARK B. HANSEN: In unseren Interaktionen mit den atmosphärischen Medien des 21. Jahrhunderts stehen wir menschlichen Individuen nicht länger als gesonderte, eigenständige und quasiautonome Subjekte klar unterschiedenen Medienobjekten gegenüber; vielmehr konstituieren wir uns selbst als Subjekte durch die Operation einer Unzahl multiskalarer Vorgänge, von denen einige (wie die neuronale Verarbeitung) eher ‚verkörpert’ scheinen, andere wiederum (wie die rhythmische Synchronisierung mit materiellen Ereignissen) eher ‚verweltlicht’. In den heutigen Medienumgebungen ist unsere Subjektivität demnach nicht gegen eine (mediale) Objektwelt abgesetzt (oder ist dies, genauer gesagt, nur in abgeleiteter Form), und sie unterscheidet sich in der Art nicht von den Mikroprozessen, die sie durchdringen. (S. 367) | JENS SCHRÖTER: Bei Hansen wird eine prästabilisierte Harmonie zwischen den neuen – ‚smarten’ – medialen Infrastrukturen und der Form der Gesellschaft erschlichen. Ein Konflikt zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen wird von vorneherein unbegründet negiert. Der (potentielle) Konflikt zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren muss gegenüber Hansens transzendentalem Harmonismus betont werden. Aber ebenso macht es keinen Sinn, von einer a priori gegebenen Feindschaft, einem transzendentalen Agonismus von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren auszugehen. Letztendlich also steht am Ende der Erörterung die schlichte Aufforderung, die ubiquitäre technologische Durchdringung durch RFID, smart dust, letztlich das Internet der Dinge vor jeder affirmativen oder apokalyptischen Bejahung oder Verneinung zu bewahren, die aus der Auslöschung der historischen Praktiken hervorgeht. Vielmehr muss die wortwörtliche Einbettung in die historischen Texturen analysiert werden, um den genuin ökonomischen und politischen Charakter des Internets der Dinge zu rekonstruieren. (S. 239)JENS SCHRÖTER: Spätestens seitdem die Akteur-Netzwerk-Theorie zum viel genutzten Ansatz wurde, steht die ‚Symmetrie’ menschlicher und nichtmenschlicher Akteure (z.B. smarter Gerate, aber durchaus auch alle anderen Dinge oder Entitäten) im Mittelpunkt. Sie sollen gleichbehandelt und gleichermaßen einbezogen werden. Diese Annahme wurde zumeist als Appell verstanden, die Eigenschaften und Handlungsmacht der Dinge nicht als abgeleitet von menschlicher Handlungsmacht zu interpretieren. Handlungsmacht wird vielmehr als verteilt zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren beschrieben. Dieses Bild setzt aber bereits, ähnlich wie bei Hansen, die Kooperation als selbstverständlich voraus. (S. 238–239) |
Im Laufe des Seminars entstanden zwölf Projekte zum Leben mit versehrten Dingen, die am 20.1.2016 im „Kunstraum“ der Leuphana Universität im Rahmen einer Ausstellungs-Performance für ca. achtzig Minuten gezeigt wurden. Jedes Projekt bestand aus dem versehrten Ding, einer Station, an der es ausgestellt sowie aus einer Performance, mit der es präsentiert wurde. Diese Performances vollzogen sich als Affirmation mit dem versehrten Ding sowie der zu ihm erfundenen Geschichten. Die Studierenden verwandelten sich dabei gleichsam in Figuren und verkörperten die durch die versehrten Dinge modifizierten menschlichen Agierenden. Die Besucher_innen konnten sich frei durch die Ausstellung bewegen.
Im Rahmen der Präsentation gab es zwei festgelegte Zeiträume, zu denen Performances mit klaren Zeitpunkten für Beginn und Ende aufgeführt wurden, und deshalb einer Fokussierung der Besucher_innen bedurften. Der jeweilige Beginn wurde mit einem Gong markiert und dann von einem Mitspieler angekündigt. Zu diesen Performances gehörte erstens eine in der Mitte der Präsentation aufgeführte, inszenierte Podiumsdiskussion mit zwei Vertreterinnen der erfundenen Betreuungsprogramme für versehrte Dinge. Es handelte sich um „Liebe deinen Toaster e. V.“ sowie das „Betreuungsprogramms für grenzüberschreitende Geräte (BGG)“. Die zweite Performance, in der ein Menschen-Affe ein iPhone zerstörte, fand am Ende der Ausstellung statt.
Im Rahmen der Vorbereitung der Ausstellung entstand aus den einzelnen Projekten mit versehrten Dingen eine gemeinsame Welt, die einer eigenen Logik folgte. Diese Welt deckte zentrale Aspekte des Lebens in digitalen Kulturen ab, die allerdings durch die besonderen Bedingungen des Lebens mit versehrten Dingen im Vergleich zum aktuellen Zustand verändert waren. So stand z. B. in Frage, wie die Organisation des Alltags bezogen auf ein Handlungsdesign durch versehrte Interfaces oder ein versehrtes Internet aussieht oder sich Leben mit versehrter, aber gleichberechtigter Kleidung gestaltet. Des Weiteren war z. B. von Interesse, welche ökonomischen Strukturen und Geschäftsformen mit versehrten Dingen aufkommen und wie es um die Rechte der die Dinge betreibenden Daten bestellt ist. Es entstand gleichsam eine Art Science Fiction, in dem die derzeit kursierenden Ding- und Techno-Ökologie-Diskurse bereits in die Tat umgesetzt und Wirklichkeit waren und deren, so wäre aus heutige Sicht zu sagen, Alltäglichkeiten und Schattenseiten auftauchten. Diese entstanden konsequent aus den Bedingungen des Umgangs mit versehrten Dingen, die man nicht mehr entsorgen darf. Dabei erschienen die Performer_innen als Kämpfer_innen für eine Verbesserung der Ding-Welten des Versehrten. Denn die neue Welt, in der die Dinge gleichberechtigt sind, musste noch gegen die Widerstände menschlicher Agierenden unterstützt werden, die ihre tradierten Privilegien nicht aufgeben wollten. Das heißt, in der Ausstellung befanden sich digitale Kulturen an einem Punkt im Dispositiv des Technosphärischen, an dem in einer techno-ökologischen Existenz die Aufwertung der Dinge sowie die Relativierung der menschlichen Agierenden bereits weit fortgeschritten, aber noch nicht gänzlich abgeschlossen war. Im Fokus standen deshalb ein Training der menschlichen Agierenden, mit dem die Akzeptanz des Lebens mit gleichberechtigten, versehrten Dingen erzeugt werden sollte, sowie die Anpassung menschlicher Verhaltensweisen an den Umgang mit diesen.
Eine große Herausforderung des Projektes bestand dabei darin, nicht in eine Haltung des Anthropomorphisierens zu verfallen, d. h. Dinge zu vermenschlichen. Es ging vielmehr darum, eine gleichberechtigte Handlungsagentur von einander fremden Entitäten herzustellen. Entscheidend dafür war zum einen die Anerkennung der Fremdheit, die durch Kenntnis von Funktionsweisen und Lebensbedingungen der Dinge erzeugt wurde. Zum anderen half die Erstellung und Anerkennung der Datenrechte dabei, Dinge und Daten als eigene Entitäten zu erzeugen, die man nicht repräsentieren, sondern mit denen man nur kooperieren kann. Fremdheit, Affirmation und Gesetzgebung waren mithin die die Ausstellung bedingenden und voranbringenden Haltungen.
Bei der Darstellung der Präsentation geht es nun darum, die Kohärenz dieser Parallelwelt zu erfassen. Dazu soll das Zusammenspiel von versehrten und dabei entfesselten Interfaces, Internet, Datenrechten, Dingen, Menschen und Geschäftsideen im Leben in Dingwelten und Techno-Ökologie nacherzählt werden.
We love SIRI, Liana Hayrapetyan, Naemi Petersen
Motto: Wir stellen Euch Siri von Herzen vor, die zu jeder Frage eine Antwort weiß.
Die Besucher_innen wurden gleich an der Eingangstüre von zwei reizenden Damen empfangen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Gäste mit ihrer Präsenz und ihren Präsentationen von SIRI zu verzaubern. Es geht um jenes Programm, das auf von Nutzer_innen in ein Smartphone gesprochene Fragen antwortet, indem es Datenbanken im Internet durchforstet und die Ergebnisse den Fragenden vorspricht. Mobile Geräte, die mit SIRI ausgestattet sind, ermöglichen so einen dauerhaften Zugang zum Internet als einem omnipräsenten Archiv. Die Ausgabe der Suche in gesprochener Sprache unterstützt den Eindruck, dass hier die technischen Agent_innen zurückschauen und antworten.
In der hochgradig affirmierenden Präsentation der beiden Performerinnen verlor SIRI jeglichen Bezug zu einem bedrohlichen Szenario, in dem digitale Kulturen mit Überwachung, der Aneignung von Daten oder künstlicher Intelligenz zu tun haben könnten, die eines Tages den Menschen vereinnahmen oder gar ablösen könnte. An die Stelle dieser Visionen trat vielmehr das Modell einer Kooperation zwischen unterschiedlichen Entitäten und Agierenden, die die Welt so viel bunter, den Alltag um vieles leichter und die Interaktion mit den technologischen Umwelten so äußerst angenehm macht. Das heißt, digitale Kulturen schienen auf der phänomenalen Ebene weniger auf die Bedrohung ihrer Bewohner_innen durch Überwachung, Kontrolle oder künstliche Intelligenz, als vielmehr auf die Lust an der Kooperation mit technischen Dingen und Infrastrukturen zu setzen. SIRI wurde mithin in der Ausstellung als ein Modell von geteilter Agentenschaft zwischen menschlichen Agierenden und technischen Dingen verstanden und als solches angepriesen.
Damit entpuppte sich das Projekt als Reflexion und Übung zur Frage, welche Haltung versehrter Dinge und Menschen in digitalen Kulturen nötig sein könnte, um eine Gleichberechtigung jenseits des Anthropozentrischen herzustellen. Verzauberung und die Beseelung von technischen Dingen schien eine probate Methode. Diese ist bei genauerer Betrachtung allerdings gar nicht so neu, sondern hat eine Vor-Geschichte, die exemplarisch und pointiert an Rich Golds Konzepten zum Ubiquitous Computing zu Beginn der 1990er Jahre nachvollzogen werden kann. Gold war Künstler und Designer im Team von Mark Weiser im Palo Alto Research Center, kurz PARC, Forschungszentrum von Xerox, in dem Ende der 1980er Jahre das Ubiquitous Computing als Vorgeschichte der Ding- und Techno-Ökologie-Diskurse erfunden wurde. Gold beschreibt eine Kinderzauberwelt (Gold, Rich, The Plenitude: Design and Engineering in the era of Uniquitous computing, 2002, PDF), in der die technischen Dinge im Dunkeln ein magisches Eigenleben führen und die Nutzer_innen verzaubern. Rich Gold schreibt:
“This new augmented reality is perhaps a little like the enchanted village, in which common objects have magically acquired new abilities, a village where toy blocks really do sing and dance when I turn out the lights.”
Gold, Rich, This is not that pipe, 1993, web.archive.org
Wie diese Verzauberung funktionieren soll, führt Rich Gold aus. Es handelt sich, so der Designer, um eine Fehlschaltung des Gehirns:
“Interactivity exploits one of the mis-wirings of our minds: if something moves and reacts based on invisible forces (like the calculations of a small computer chip) we think it is alive. Our economy is now based on this mis-wiring.”
Ebda. S. 53
Was diese Fehlschaltungen gleichsam verdecken helfen, beschreibt Gold wie folgt:
“Ubiquitous Computing is a new metaphor in which computers are spread invisibly throughout the environment, embedded and hiding as it were, within the objects of our everyday life. Each of these computers can talk with any of the other computers much like chattering animals in a living jungle, sometimes exchanging detailed information, sometimes just noting who’s around.”
Rich Gold, This is not that pipe, 1993, web.archive.org
Verzauberung und Beseelung (Gold, Rich, The Plenitude: Design and Engineering in the era of Uniquitous computing, 2002, PDF) sind mithin die entscheidenden Strategien im Umgang mit technischen Dingen sowie der Durchsetzung des Technosphärischen. Sie dienen der Blendung der menschlichen Nutzer_innen, mit der die Kommunikation der Daten-Dinge untereinander verdeckt wird. Das heißt, es geht vor allem um die allsinnige und affektive Vereinnahmung für eine Existenz in technologischen Umwelten.
Wenn die beiden Performerinnen nun vorbehaltlos die schöne neue SIRI-Welt als Stellvertreterin für ein Ausleben der Ding-Diskurse und Techno-Ökologie mit Verzauberung affirmierten, dann knüpften sie an diese Tradition an. Damit verwiesen sie auch darauf, dass die Diskurse zu Ding-Welten und Techno-Ökologie aufs Engste mit einer Faszinationsgeschichte der Kybernetisierung durch Beseelung, Verzauberung, Blendung und Verführung verbunden sind, ohne dass sie dies zeigen würden. Diese Faszinationsgeschichte fortzusetzen, wäre gleichsam der Preis für ein Leben in der „schönen neuen Welt“. Im Performen schien diese dann allerdings nicht weiter problematisch und durchaus eine akzeptable Möglichkeit.
Die beiden Damen erzeugten mit der SIRI-Promotion folgerichtig als Atmosphäre der Ausstellung Verzauberung und als Haltung für deren Besuch die Affirmation. Es ging um eine regelrechte „Einstellung“, ein Tuning der Besucher_innen. Vor diesem Hintergrund machte es Sinn, dass diese Station die erste war, der man in der Ausstellung begegnete.
Train your Brain, Jan-Erik Förster
Motto: Trainieren Sie während Sie mit der Maus arbeiten Ihr Gehirn.
Ein wichtiges Thema in digitalen Kulturen waren und sind seit dem Siegeszug der Kybernetik in den 1950er Jahren, mit der Mensch und Maschine in einem System zusammengeschlossen wurden, die Interfaces, d. h. die Schnittstellen, mit denen menschliche Agierende überhaupt Zugang zu den technischen Umwelten erhalten. Interfaces ermöglichen nicht nur die Steuerung technischer Operationen. Sie gestalten zugleich durch ihr Design das Verhalten der Nutzer_innen. Bei Interfaces geht mithin um ein sensibles Eingangstor zu technischen Welten sowie um Modelle und Regime der Mensch-Maschine-Interaktion. Was geschieht, so die Frage für die Ausstellung, unter der Voraussetzung einer radikalen Gleichberechtigung der Dinge, wenn die Interfaces gestört sind?
Die Brisanz dieser Frage wird umso deutlicher, wenn an die Geschichte der Interfaces und ihre zeitgenössische Konstitution erinnert wird. Ein starkes Argument in der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle (HCI) (Hans Dieter Hellige (Hg.), Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung, Bielefeld: transcript 2008, open access) ist seit jeher ihre „Usability“. Sie sollten und sollen möglichst intuitiv genutzt werden können, so dass die Stellen der Übersetzung analoger Werte und Daten in formalisierte und algorithmisch gesteuerte Welten unsichtbar werden. Ein gutes Interface ist mithin eines, das nicht auffällt. Sind diese nun versehrt, dann wird mit dieser Tradition gebrochen und der Zugang zu technischen Operationen erschwert bis verunmöglicht.
Im Kontext der Ding-Diskurse und Techno-Ökologien spitzt sich die Frage nach den Interfaces noch zu, da nun die ganze Umwelt ein unsichtbares Interface sein soll. Dieses Konzept erben sie von Mark Weisers Ubiquitous Computing seit Ende der 1980er Jahre. Diesen technikgeschichtlichen Hintergrund und dessen epistemologischen Konsequenzen beschreibt Jörg Pflüger in seiner Rekonstruktion der Geschichte der HCI (Jörg Pflüger, „Interaktion im Kontext“, in: Hans Dieter Hellige (Hg.), Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung, Bielefeld: transcript 2008, S. 323- 389, open access). Waren die Interfaces zu Beginn hardware-orientiert und deutlich als Befehlseingaben erkennbar, so wurden sie mit dem Ubiquitous Computing zu eigentätigen Agenten, die in intelligenten Umwelten unterwegs sind. Pflüger schreibt:
„‚Intelligente Umwelten‘ und verortete Informationen erfordern von der Maschine verstärkte ‚Context-Awareness‘, die jetzt nicht nur einzelne informelle Zusammenhänge, sondern die ganze Lebenswelt der potentiellen Nutzer betrifft. Der Computer verschwindet hinter vielen Interfaces, die registrieren, sich anbieten und Situationsangemessenes verkünden. Bei den allzeitbereiten Maschinen erscheint Zeit nicht mehr im Zwischenspiel der Interaktion, sondern als aufgehobene Geschichte früherer Begegnungen, um Subjekte und Objekte in den Weiten des Raums wiedererkennen zu können. Der umsorgte Nutzer wird subjektiv kontextfrei, insofern als seine Umwelten jeweils schon aufbereitet sind und er sich überall gleich heimisch fühlen kann. Und weil jede maschinelle Fürsorge ein ‚Controlling’ voraussetzt, ist er damit zugleich zum Objekt einer heimlichen Überwachung geworden.“
Jörg Pflüger, „Interaktion im Kontext“, in: Hans Dieter Hellige (Hg.), Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung, Bielefeld: transcript 2008, S. 323–389, hier: S. 325, open access: transcript-verlag.de
Diese Umstellung der Interfaces auf Ubiquität und Unsichtbarkeit bildete nun den Hintergrund für das Projekt in der Ausstellung, das die Auswirkungen des Umgangs mit versehrten Interfaces anhand einer Computermaus erkundete. Sie ist bis heute ein wichtiges Interface zum Wechselspiel von Steuerung und Gesteuert-Werden im Rahmen von Operationen des Computers und wurde Ende der 1960er Jahre von Douglas Engelbart in Stanford zur Steigerung des menschlichen Intellekts präsentiert. Sie stammt zwar noch aus einer Phase, in der Technologie örtlich begrenzt war und Interfaces einen Zugang zum Innenleben von lokalen Computern ermöglichen sollten. Gleichwohl ist sie auch in Zeiten von proaktiven smarten Agenten weiterhin unverzichtbar bzw. als Prinzip eines taktilen Zugangs z. B. zur Datenverarbeitung in Touchpads weiterhin präsent.
Wenn nun in den technosphärischen Welten Störungen oder Unterbrechungen durch Interfaces auftauchen, dann dürften diese, so die Überlegung, nicht länger eigenmächtig von Menschen behoben und ausgemerzt, oder gar technische Dinge entsorgt werden. In einem fortgeschrittenen Stadium einer technosphärischen Existenz wäre es vielmehr Aufgabe, sich der Gleichberechtigung der Dinge konsequent anzupassen und etwa mit versehrten Geräten zu arrangieren.
An einem Arbeitsplatz konnten in diesem technikgeschichtlichen und epistemologischen Kontext nun die Konsequenzen dieser avancierten techno-ökologischen Existenz erprobt und eine angemessene, affirmative Haltung für diese trainiert werden. Mit einer fehlgeleiteten Computermaus konnten Zeichnungen erstellt oder Computerspiele durchgeführt werden. Die Maus vollführte dabei allerdings eigensinnige Bewegungen, so dass die Nutzer_innen sie nicht kontrolliert einsetzen konnten. Doch die gestörten Mausbewegungen hatten durchaus positive Effekte, denn aus ihr entstanden Zeichnungen, die ohne sie nicht möglicht gewesen wären. Gerade die Abweichungen wurden zu einen lustvollen Erlebnis.
Es ging bei diesem Projekt also nicht darum, durch die Versehrtheit zu zeigen, wie sehr der Mensch von Technik besetzt und geregelt ist. Vielmehr stand im Zentrum die eulenspiegelnde Über-Affirmation, mit der der neue Status der Dinge anerkannt und getestet wurde. Es macht einen Unterschied, ob man von einer Computermaus gemaßregelt wird oder sich von ihr gegängelt fühlt, oder ob man auf eine versehrte Maus Rücksicht nimmt.
Blind vor Technik, Svenja Buck, Sina Wand
Motto: Wir führen den Menschen am Beispiel einiger Applikationen und einer Live-Simulation vor Augen, wie sehr sie sich auf Technik verlassen.
Diverse Dinge und Applikationen „navigieren“ ihre Nutzer_innen durch den Alltag. Wir verlassen uns darauf, von einem GPS-Gerät durch eine fremde Stadt geleitet zu werden. Wir befragen zudem eine Wetter-App vor dem Antritt einer Reise oder dem Verlassen der Wohnung nach der meteorologischen Situation, um entsprechende Bekleidung mitzunehmen. Oftmals verifiziert man die Auskunft einer App zur Wetterlage nicht, sondern vertraut ihr blind. Geräte und Software zur Selbstoptimierung zeigen an, wann was und in welcher Weise zu tun ist. Diese vertrauensvolle Haltung könnte allerdings, so die Überlegung dieses Projekts, unter der Voraussetzung, dass man es mit versehrten Apps oder Selbstoptimierungs-Trackern zu tun hat, zur Nutzung völlig unangemessener Kleidung oder gesundheitsschädlicher Aktionen führen. Ist die Versehrung dieser „Navigationen“ ein Dauerzustand, so sind Verhaltensweisen zu entwickeln, sich mit diesen zu arrangieren, da sie ja nicht entsorgt werden dürfen. Es wird wohl ein radikal kooperatives Zusammenspiel zwischen Dingen und menschlichen Körpern nötig sein, in dem der eigene Körper durchaus auch aufs Spiel gesetzt werden könnte, so die Ausgangsthese des Projektes.
Die Organisation von Alltag und Fortbewegung mit versehrten Navigationen, Vorhersagen und Optimierungsvorschlägen wurde nun in einer Station mit einem Spiel trainiert. Wichtig war, sich in dieser versehrten Welt lustvoll zu bewegen und diese liebevoll zu akzeptieren. Geübt wurde diese Haltung mit Hilfe einer Neufassung des Spiels „Wikingerkegeln“. Besucher_innen wurden mit verbundenen Augen von den beiden Performerinnen mit Hilfe von Kommandos zur räumlichen Orientierung durch ein abgestecktes Spielfeld geführt, das mit den Figuren des Wikingerkegelns begrenzt bzw. aufgefüllt war. Die Proband_innen sollten den Figuren ausweichen, was kaum gelang. Schließlich landeten sie vor einer weißen Wand, an der der Spruch: „Blind vor Technik“ angebracht war.
In der Atmosphäre der Ausstellung sowie der „Einstellung“, im Sinne des Tuning der Besucher_innen, zur Affirmation entsprach das Blindsein allerdings keiner Kulturkritik. Vielmehr ging es einmal mehr um eine kooperative Anpassung an eine versehrte technische Umwelt, mit der die menschlichen Agierenden deren Störungen kompensieren. Es ging mithin um Vertrauen in die Kooperation zwischen Menschen und technischen Dingen sowie darin, dass letztlich „alles“ glimpflich ausgehen werden. Diese Haltung bietet eine gute Grundlage für die Akzeptanz und Nutzung „selbstfahrender“ Autos (Thomas Harloff, Warum Teslas Autopilot beim tödlichen Unfall irrte, Süddeutsche Zeitung, 1.7. 2016).
Tape tape, tape it!, Paul Seegers
Motto: Einfach mit Gaffa-Tape die Probleme des Alltags lösen.
In einer Kultur, in der versehrte Dinge mit menschlichen Agierenden gleichgestellt sind, taucht unweigerlich die Frage nach Kulturen des Reparierens auf, da die Dinge nicht mehr entsorgt werden können. Materieller Ausgangspunkt für eine solche Kultur war in der Ausstellung das Klebeband Gaffa, das über das Potenzial verfügt, zum Kultstatus zu erhalten. Denn alle erdenklichen Dinge lassen sich mit Gaffa reparieren und wieder verwenden. Computermäuse und Monitore gehören ebenso zu diesem Pool wie Kugelschreiber und die Sitzflächen eines Stuhls. Gaffa ist dabei auch noch ein äußerst umweltfreundliches Material. Das Reparieren unterstützt zudem die Umwelt durch die Reduktion von Müll.
In diesem Projekt der Ausstellung kam es beim Reparieren nicht, wie man vielleicht zunächst vermuten könnte, zu einer Unterstützung von Umweltschutz und der Nachhaltigkeit, als vielmehr zu deren De-/Konstruktion. Damit machte es exemplarisch für die gesamte Ausstellung klar, dass es nicht um diese Themen geht, wenn versehrte Dinge gleichberechtigt behandelt werden. Sie zeigte damit auch, dass es in der aktuellen medienwissenschaftlichen Diskurslandschaft im Rahmen von Ding-Diskursen und Techno-Ökologie nicht um eine Verbesserung der Umwelt geht. Vielmehr steht eine Neubewertung des Anthropologischen durch die Kooperation mit technologischen Umwelten im Fokus.
Dieses Paradigma wurde dann auch im Projekt affirmiert. Die Reduktion der Entsorgung versehrter Dinge, die in der Ausstellung mit diesem Projekt vorgenommen wurde, führte folgerichtig weder zu einer gesünderen Umwelt, noch zu einem bio-technischen Kontrollsystem (Vgl. das Forschungsprojekt „Complexity and Control“, CCP, von u.a. Ulli Vilsmaier und Erich Hörl), auf das Modelle zu Nachthaltigkeit und Umweltschutz im Sinne der Kontrolle technischer Verläufe und menschlicher Verhaltensweisen abzielt. Vielmehr zeigte das exzessive Arbeiten mit Gaffa eine lustvolle Besessenheit an diesem Tun. Es ging um ein Reparieren um des Reparierens willen. Gepriesen wurde mithin eine sich selbst genügende Tätigkeit und Beschäftigung. Dieses Projekt verwies somit zugleich auf eine wenig erfreuliche Dimension in den versehrten Welten. Es zeigt einen möglichen Suchtfaktor in der Welt der Dinge auf, den man „Repariersucht“ nennen könnte.
Die kleiderflüsternde Nähwerkstatt, Nadine Teichmann
Motto: Die Kleider haben meinen Willen übernommen.
„Kleiderflüsterer“ (Nadine Teichmann) (46 kB)
Unter dem Diktum der gleichgestellten Ding-Welten könnten versehrte Kleidungstücke nicht mehr entsorgt, sondern müssten aufgehoben werden. Auch zum Reparieren dieser Kleidungstücke müsste eine neue Haltung entwickelt werden, denn dieses dürfte ihnen nicht einen fremden Gestaltungswillen auferlegen. Haben Dinge nämlich ein eigenes Recht, dann können sie nicht einfach repariert, sondern müssten mit Respekt behandelt werden. Welche Methoden dafür genutzt werden könnten und wie diese den Alltag verändern, zeigte sich am Projekt einer „Kleiderflüsterin“. Sie lauschte Kleidungsstücken Wünsche ab, wie sie gerne in der Reparatur vernäht werden wollten. In der Logik dieser Konstellation nähte sie schließlich die Ärmelöffnungen ihres Pullovers zu, so dass die weiteren Nähaktionen deutlich erschwert wurden.
Ähnlich wie im Projekt mit der versehrten Computermaus wurde hier der Umgang mit versehrten Dingen erprobt und geübt. Die menschlichen Agierenden passen sich ihnen an und machen dabei zugleich neue Entdeckungen, die ohne die durch die versehrten Dinge ausgelösten Rekonfigurationen nicht möglich gewesen wären. So entdeckte der Körper der „Kleiderflüsterin“ neue Bewegungsmöglichkeiten und andere Formen der Organisation von Arbeit wurden erzeugt.
Mit diesem Projekt wurde markant ein weiterer Aspekt der Ding-Diskurse und Techno-Ökologien eingespielt. Es geht um die Frage einer Wiederbelebung animistischer Vorstellungshorizonte, die gegebenenfalls in Gestalt der Beseelung der technologischen Umwelten und Ding-Welten einsetzt. Symptomatisch für diese Wiederkehr ist die Beschreibung eines Seminars von Erich Hörl an der Ruhr Universität Bochum aus dem Wintersemester 2012/2013. Darin heißt es:
„Das Themenspektrum des Projektmoduls, das sich prinzipiell medientechnischen Beseelungs- und Belebungspraktiken widmet, reicht von den spiritistischen Medien des späten 19. Jahrhunderts bis hin zur Wiederkehr animistischer Medienkulturen und lebendiger Objektkulturen in Gestalt der Medien des 21. Jahrhunderts, von der Geisterphotographie und von Radiostimmen über den Animationsfilm bis hin zur neoanimistischen Situation der Gegenwart durch ubiquitous computing, GPS, Smart phones, intelligent environments, RFID. Unter dem Titel des Animismus wird eine Erkundung nicht-moderner Denkweisen, Ontologien, Erkenntnistheorie unternommen und diese werden auf ihre medientechnischen Grundlagen und Einsätze für eine Neubeschreibung der Gegenwart hin befragt. Ausgehend von einer Rekonstruktion der gegenwärtig in Ethnologie und Sozialanthropologie wiederaufgenommenen, sehr lebhaft geführten Debatte über den Animismus wird das Thema von uns schrittweise systematisch und historisch entfaltet werden, […].
Animismus wird in der aktuellen Diskurslandschaft und medienwissenschaftlichen Forschung aus einer doppelten Perspektive gesehen und gefördert. Auf der einen Seite gilt er als eine Option, Welt und Kultur anders zu sehen und deren krisenhafte Lage zu verbessern. Denn wo vorbewusste Kräfte am Werk sind, könnten menschliche Agierende durch diese Affizierung durch die Umwelt und die Re-Integration in diese zu einer bescheideneren Haltung gebracht werden. Diese wäre im Vergleich zu den Praktiken und Epistemologien der Vor-Moderne nun unabdingbar an technische Medien und damit an Techno-Animismus gebunden (Vgl. auch: Erich Hörl, Marita Tatari „Die technologische Sinnverschiebung. Orte des Unermesslichen”, in: Orte des Unermesslichen. Theater nach der Geschichtsteleologie, Marita Tatari (Hg.), Zürich-Berlin: diaphanes 2014, S. 43–63). Auf der anderen Seite zeigen die weiter oben angeführten Konzepte von Rich Gold zum Ubiquitous Computing, dass Beseelung (Gold, Rich, The Plenitude: Design and Engineering in the era of Uniquitous computing, 2002, PDF) gleichsam eine Zauberwaffe im Umgang mit technischen Dingen sowie der Durchsetzung des Technosphärischen ist. Diese diente vor allem der Blendung der menschlichen Nutzer_innen. Während Rich Gold seinem Tun affirmativ gegenüberstand, es gleichsam als nötige Strategie dafür sah, in einer besseren techno-logischen Welt anzukommen, hat Wolfgang Hagen den Animismus von Medienpraxis und Medienwissenschaft scharf herausgearbeitet und kritisiert. Es zeigt, dass Animismus im Gewand des Spiritismus (Wolfgang Hagen, Die entwendete Elektrizität. Zur medialen Genealogie des ‚modernen Spiritismus‘, 2006) des 19. Jahrhunderts untrennbar mit der Entdeckung und Entwicklung technischer Medien verbunden ist. Er diente dazu, nicht erklärbare Dinge mit dem Unerklärlichen verstehbar zu machen. Effekt dieser Erklärungsmodelle aber war die blinde Bindung an Technologie als Geister-Medien, die bis heute wirken dürfte.
Wenn nun also die Kleiderflüsterin in der Ausstellung zu den versehrten Dingen mit diesen spricht und ihnen Wünsche ablauscht, dann wird darauf verwiesen, dass und mit welchen Effekten in den Ding-Kulturen Animismus wieder auftaucht. Er führt zu einer gründlichen Transformation des Menschen, mit der er für ihn hinderliche Verhaltensweisen selbst herstellt und glücklich begrüßt und hinnimmt. Unklar bleibt dabei, wo die Dinge und wo menschliche Auto-Suggestion sprechen. Es stellt sich mithin die Frage, wie viel „Hören“ eines großen Ganzen im Animismus steckt und wie viel Projektion diesen konstituiert. Festzuhalten bleibt, dass das Leben mit versehrten Dingen animistische Praktiken, Erfahrungen und Horizonte gleichsam zwangsläufig aufruft, sobald die Sinne sensibilisiert und auf dieser Grundlagen von der Umwelt affiziert werden. Zudem werden Dinge zwischen Himmel und Erde aufgerufen, die man jenseits der vorbewussten Einstellung nicht mehr wissen kann.
Betreuungsprogramm für grenzüberschreitende Geräte (BGG), Franziska Debey, Julie Heitmann, Nadine Teichmann
BGG: Plakate, Studiengänge (764 kB)
In besonderer Weise betrieben die beiden im Rahmen der Ausstellung erfundenen und gleichsam miteinander konkurrierenden Betreuungsprogramme für versehrte Dinge eine weitreichende Affirmation mit der „neuen Welt“. Ausgangspunkt und Bezugsrahmen waren Organisationsformen menschlicher Agierender wie Kitas oder Seniorenheime, mit denen sie das Zusammenleben mehrerer Generationen regeln. Diese wurden im Hinblick auf versehrte technische Dinge weitergedacht.
Im „Betreuungszentrum für grenzüberschreitende Geräte“ (BGG) konnten versehrte Dinge zur Betreuung abgegeben werden, damit sie nicht allein und unbeaufsichtigt zu Hause zurückgeblieben Schäden anrichten könnten. Um dieses BGG entspann sich eine ganz eigene Welt, die von psychologischen Schulungen von Geräte-Kooperator_innen für einen angemessenen Umgang mit Geräten bis hin zu neuen Studiengängen für z. B. Elektropädagogik reichen konnte.
Kenne Deinen Toaster e.V., Julie Heitmann
Motto: Vierzehntägiger Workshop für Sie und Ihr Gerät. Ich berate Sie gerne.
Plakate: Kenne Deinen Toaster e.V. (213 kB)
Der Verein gehörte zu den Betreuungsprogrammen und bot Workshops für die Schulung einer gleichberechtigten Kooperation menschlicher Agierender mit Dingen an. Ziel war es, Verständnis und Empathie mit den Dingen herzustellen, so dass die Kooperation zwischen beiden Seiten optimiert werden kann. Es wurde in den Erläuterungen an dieser Station deutlich, wie viel Unwissen bei menschlichen Agierenden bezogen auf die Dinge noch vorliegt.
Podiumsdiskussion der Vertreterin des BGG und des „Kenne Deinen Toaster e.V“, Franziska Debey, Julie Heitmann, Nadine Teichmann
Podiumsdiskussion zum Download (101 kB)
Zur Hälfte der Präsentation der Ausstellung wurde eine inszenierte Podiumsdiskussion zwischen den Vertreterinnen der beiden Betreuungsprogramme gezeigt. Die Studierenden hatten dafür einen Text (Download oben) verfasst, in dem die Statements der beiden Vertreterinnen notiert waren. Tenor der Szene war, dass die menschlichen Agierenden viel zu wenig von den Dingen wissen und es auf diese Weise zu Fehlhandlungen kommt.
Die beiden Vertreterinnen gerieten in Streit darüber, ob man mit den Dingen unmittelbar kommunizieren könne oder ob es eher darum zu gehen habe, dass Menschen mehr Empathie für die Dinge und ihre Gleichberechtigung entwickeln. Schließlich blieb, wie auch schon bei der Kleiderflüsterin, offen, wie viel Projektion menschlicher Ideen in den Ding-Welten geschieht. Diese Frage steht sicherlich im Zentrum der Auseinandersetzung mit Ding-Welten und Techno-Ökologien. An dieser krankt auch das Modell des Anthropozäns (Sabine Selchow, Die Apokalypse duldet keinen Sachzwang. Ein Gespräch mit Ulrich Beck und Bruno Latour, Frankfurter Allgemeine, Mai 2014), denn mit diesem werden Anthropozentrismen gerade da hypostasiert, wo sie aufgelöst, zumindest doch relativiert werden sollten. Ausschlagend dafür ist, dass letztlich menschlichen Agierenden die Verantwortung für die geschädigte Umwelt sowie für deren Rettung gegeben wird, statt das Modell einer aus der Spezies begründeten Handlungsmacht zu de-/konstruieren. Dies aber wäre nötig, um eine Reflexion von Ding-Welt und Techno-Ökologie zu ermöglichen. Zu beachten wäre zudem mit Jason Moore die Verquickung von Ökonomie und Ökologie. Eine „Natur“ hat es nie gegeben, sondern immer nur wirtschaftlich nützliche Naturkonzept. Statt von Anthropozän wäre von einem Kapitalozän (Jason Moore W. The Capitalocene. Part I: On the Nature & Origins of Our Ecological, Crisis, PDF) zu sprechen.
Während der Diskussion zeigte sich zudem die Um-Ordnung des alltäglichen Lebens, die durch die neue Aufmerksamkeit für die Dinge und die Berücksichtigung ihres gleichwertigen Status sowie ihrer Rechte aufkommt. So wäre z. B. in Hotels die Arbeit mit versehrten Staubsaugern Gang und Gebe, da diese nicht mehr entsorgt werden dürften. Dies führe dazu, dass die Zimmer nicht mehr gründlich gereinigt würden und sich Staub anlagere. Diese Anlagerungen hätten aber schon zu einer neuen Verhaltens- und Kunstform geführt, da Gestaltungen aus Staub vorgenommen würden. Die eingeschränkte Reinigung habe aber auch den Wert sowie die Überprüfbarkeit von Arbeit verändert. Da eine gründliche Reinigung nicht mehr möglich sei, wäre es schwierig nachzuprüfen, ob und in welcher Qualität Arbeit geleistet wurde. Neue Hierarchien und Weisen des Vertrauen sind in Arbeitsverhältnissen zu entwickeln.
In der Diskussion kamen schließlich auch problematische Aspekte der neuen sozialen und kulturellen Ordnung zum Ausdruck. So wäre die Arbeitskraft der menschlichen Agierenden reduziert, da sie sich um die versehrten Dinge zu kümmern hätten. Zudem würden die nötigen Schulungen für die Optimierung des Zusammenlebens von dinglichen und menschlichen Agierenden viel Zeit in Anspruch nehmen und Geld verschlingen. Fazit war, dass die Kulturen des Zusammenlebens noch am Anfang stehen und Verbesserungen nötig seien.
In diesem Projekt wurden die Konsequenzen der anthropo-dinglichen Ko-Existenz umfänglich und stringent ausbuchstabiert. Dies betrifft die Verteilung und Organisation von Rechten und Pflichten ebenso wie Alltag und Arbeit in der Dingkultur. Zudem zeigte sich, dass das Ernst-Nehmen der Dinge neue Berufe und Ausbildungen sowie Institutionen hervorbringt. Wo Bruno Latour nur von einem Parlament der Dinge (Bruno Latour. Das Parlament der Dinge – Für eine politische Ökologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001, PDF) redet, wurde dieses kollektive Sein der Dinge und Menschen in der Ausstellung ernst genommen und konsequent verkörpert. Darin zeigte sich, dass eine Wirklichkeit der Ding-Kulturen bisher womöglich noch nicht konsequent gedacht wurde, da ansonsten bereits Korrekturen vorgenommen werden müssten.
Markt für versehrte Smartphones, Laila Walter
Motto: Ich kaufe Ihnen Ihre versehrten Smartphones ab und betreue sie in einer besseren Welt
Präsentation Versehrte Smartphones (1,1 MB)
In der entstandenen Kunstwelt der versehrten Dinge markierte der „Markt für versehrte Smartphones“ die Station, die kongenial zu den neuen Ding- und Datenwelt deren ökonomische Seite ausführte. Wenn die Menschen ihre Smartphones nicht mehr entsorgen, so ist mit deren Ankauf ein besonderes Geschäft zu machen. Diese Geschäftsidee setzte ein findiges Start-up um. Über das Internet konnten dem neuen Unternehmen versehrte Smartphones zum Ankauf angeboten werden. Von den ehemaligen Besitzer_innen ließ sich das geschäftstüchtige Start-up dann dafür bezahlen, die Geräte stellvertretend und angemessen aufzubewahren. Als Beispiel diente die Unterbringung eines versehrten Handys auf einem Altar. Um den symbolischen Wert des Smartphones zu präsentieren, wurde dieser mit üppigen Opfergaben ausgestattet. In Anlehnung an die Kulturen des Opferns in buddhistischen Religionen wurden verschiedene edle Obstsorten sowie Blumen auf dem Altar arrangiert.
Magna Carta. Rechte der Dinge, Martina Keup
Motto: Nicht nur Menschen haben Rechte, Daten auch. Wir stehen dafür ein.
Datenrechte (Martina Keup) (90 kB)
In diesem Projekt wurde eine „Magna Carta der Datenrechte“ ausgestellt. Datenrechte wurden zu einem wichtigen Thema, da smarte Dinge technische Geräte sind und durch Algorithmen gesteuert Daten sammeln und verarbeiten. Sie wurden zum anderen nötig, weil Menschen, Dinge und Daten in einer Handlungsagentur verwoben sind. In den Datenrechten wurden, in Anlehnung an die Menschenrechte, Daten z. B. das Recht auf den Schutz des Lebens, auf Bewegungsfreiheit oder auf Versammlung (Kompatibilität) zugestanden. Eine Konsequenz dieser Rechte wäre z. B., dass auf Grund der Bewegungsfreiheit Maßnahmen menschlicher Agierender zum Datenschutz nicht zulässig wären.
Dieses Projekt forderte wohl am meisten das vorherrschende Verständnis zum Verhältnis von Dingen und Menschen heraus. Wo nämlich die Dinge und Daten Rechte haben, geht es nicht mehr nur um auf Menschen bezogene Kulturen und Verhältnisse. Diese anderen Kulturen wurden zunächst mit einem rechtlichen Rahmen rein formal abgesteckt und geregelt. Die Regel für die Verfassung der Rechte war, dass in möglichst allen Artikeln der Menschenrechte ein Ding-Recht gefunden werden sollte. Mit der Gleichstellung der Dinge in der Übertragung von Menschen- auf Datenrechte sollte anthropozentrisches Denken unterwandert werden.
Hintergrund für diese Ausarbeitung der Datenrechte waren zum einen Bestrebungen im Rahmen des Techno-Ökologismus und der Ding-Kulturen-Diskurse, z. B. Flüssen eigene Rechte zu verleihen, über die allerdings Menschen sprechen und bestimmen. Gleichberechtigung aber tritt solange nicht ein, wie menschliche Agierende Dinge repräsentieren wollen, statt einen übergeordneten Handlungsrahmen abzustecken. Zum anderen galt es sich von einer Renaissance indigener Kosmologien (Helmut Höge, Für das Nebeneinander verschiedener Weltbilder, taz, Printarchiv, 12.12.2011) abzusetzen, die, wie bereits angeführt, im Zuge des Anthropozäns sowie der Ding- und Techno-Ökologie-Diskurse en vogue sind. Es ging aber nicht um Weltverbundenheit, sondern vielmehr um einen funktionalen Rahmen des Mit-Handelns.
Eigensinnige Website, Tim Niklas Kelterborn, Annika Lütje
Motto: Datenanwälte – Wir setzen uns für die Rechte Ihrer Daten ein und für eine transparentere Welt.
Eigensinnige Website Dokumentation (1,4 MB)
Das Internet ist ein konstitutiver Bestandteil digitaler Kulturen und als Netzwerk und Infrastruktur Grundlage für smarte Ding-Welten (Internet der Dinge) sowie für Fantasien zu Techno-Ökologie. Es ist zugleich aus der Sicht menschlicher Nutzer_innen ein unsicherer Ort, was sich etwa in Störungen oder Unterbrechungen von Datentransfers und Serverdiensten, im Diebstahl von Daten oder Passwörtern sowie in der Zirkulation von Viren manifestiert.
Im Projekt wurde nun von dieser Sicht menschlicher Nutzer_innen auf die Perspektive der Daten als Objekte umgeschaltet. Mit Bezug auf die Datenrechte würde deren Recht auf freie Beweglichkeit oder Versammlungsfreiheit nicht nur durch Störungen in der Infrastruktur, sondern auch durch Handlungen menschlicher Nutzer_innen in höchstem Maße eingeschränkt. Dies kommt etwa durch Virenschutzprogramme, Passworte, Firewalls oder Verschlüsselungsprogramme zustande. Zu den unangemessenen Einschränkungen würden auch das Abgreifen und Auswerten von Daten aus ökonomischen Interessen zählen, wie z. B. beim Profiling durch Internetfirmen oder soziale Netzwerke. Mercedes Bunz macht deutlich, inwiefern und aus welchen Gründen dieser Zugriff auf Daten und Dinge statthat:
„Vielmehr bleibt der Hersteller (oder auch andere Dritte, wie Regierungen) dauerhaft mit dem technischen Ding verbunden, weshalb die vernetzten Objekte nicht nur im Interesse des Nutzers funktionieren, sondern multiple Interessen gleichzeitig verarbeiten.“
Mercedes Bunz, „Die Dinge tragen keine Schuld“, in: Christoph Engemann, Florian Sprenger (Hg.), Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt. Transcript, Bielefeld 2015, S. 163–180, hier: S. 179
Es stand mithin für das Projekt in Frage, wie ein von den Hemmnissen der menschlichen Agierenden befreites Internet aussehen und in ein „Internet der Daten“ transformiert werden kann.
Um zu einer Lösung zu kommen, galt es zunächst, Anthropomorphisierungen auszuschließen und auf die Operationsebene von Daten und deren Steuerung durch Algorithmen vorzudringen. Daten agieren nach Vorschriften und Übersetzungen bzw. nach Kopplungsregeln, folgen dabei weder Emotionen noch Affekten. Als spezifische Operationsweise von Daten wurde eine Ebene „technischer Vernunft“ digitaler Objekte ausgemacht. Diese beschreibt Yuk Hui: „[…] sie erlauben es den intelligenten ‚Agenten’, Beziehungen für uns automatisch zu analysieren und herzustellen.“ (Yuk Hui, Induktion, Deduktion und Transduktion, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Heft 8, 2013, S. 101–115, hier S. 104, hier). Das Operieren der Daten nach ihren Rechten würde also da jenseits des Anthropologischen ansetzen, wo es um den Aufbau von Relationen und Vernetzungen geht. Auf dieser Ebene entstehen dann auch Kooperationen mit menschlichen Agierender, so noch einmal Yuk Hui:
„Man kann ein Objekt auf Facebook, zum Beispiel ein Profil, oder sogar auch nur ein Profilbild betrachten, seine Interaktion mit anderen Objekten innerhalb jenes Milieus, das mir diesen ‚Freund’ präsentiert, während es zugleich der Kontrolle unterworfen ist, handelt es sich doch auch um ein Datenobjekt. Die Erscheinungsweise dieses ‚Freundes’ basiert zudem auf einer bestimmten Anzahl von Klicks, den Beziehungen zu anderen Freund/innen im Netzwerk, Gewohnheiten und so fort (es handelt sich hier um rein maschinelle Kalkulationen); […]“
Yuk Hui, Induktion, Deduktion und Transduktion, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Heft 8, 2013, S. 101–115, hier S. 114, e-text.diaphanes.net
Wendy Chun führt einen weiteren, für Datenrechte bzw. die Existenz von Datenobjekten relevanten Aspekt aus, nämlich die Tatsache, dass Fehler integraler Bestandteil von Daten-Ding-Welten sind. Sie schreibt:
“Algorithms need mistakes—deviations from expected or already known results—in order to learn. Singular events or crises are thus not exceptions, but rather opportunities to improve: they feed the algorithm. Deviations are encouraged, rather than discouraged; deviant decoding makes better encoding possible. Constant participation grounds surveillance.”
Wendy Hui Kyong Chun, “Big Data as Drama”, in: ELH 83(2), S. 363–382, hier S. 367, Baltimore: Johns Hopkins University Press, repository.library.brown.edu
Eine auf Dauer gestellte Datenabgabe würde mithin Daten und Algorithmen ihrer Konstitution gemäß unterstützen.
Vor diesem Hintergrund wurde nun im Projekt eine Website im Internet entwickelt, die unter Berücksichtigung von Datenrechten und Datenoperationen gestaltet war. Die Nutzer_innen wurden aufgefordert, ein Maximum an Daten, gerne auch private Daten abzugeben, um sich von einer Seite zur nächsten vorarbeiten zu können. Die Nutzer_innen wurden derart in hohem Maße herausgefordert, da bis dato für das Navigieren im Internet gilt, dass persönliche Daten nur mit Bedacht preisgegeben werden sollten. Denn hinter etwaigen Aufforderungen zur Abgabe von Daten könnten auch eine kriminelle Aktion oder ökonomische Interessen kapitalistischer Player stehen. Es galt mithin, die Besucher_innen dabei zu unterstützen, alte Verhaltenweisen zu verlernen. Dies zu tun, wurde die Station zum einen als geschützter Raum gestaltet und der Laptop, auf dem sich die präparierte Site befand, in einem abgeschirmten Raum aufgestellt. Anreiz dafür, durch die präparierten Webseiten durch die Abgabe persönlicher Daten zu navigieren war zum anderen, dass nur so die Geschichte einer 17-jährigen Schwangeren in den USA verfolgt werden konnte. Ihr Vater hatte vom Discountergroßhändler Target Rabattgutscheine für Babyartikel zugeschickt bekommen. Das Profiling der Jugendlichen während ihrer Internetrecherchen führte zur Entdeckung der Schwangerschaft in der Familie. In der Installation wurde diese Geschichte affirmativ als Nachweis dafür gepriesen, dass und wie der freie Umgang mit Daten positiv in den Alltag der menschlichen Agierenden hineinwirkt.
Es stellt sich die Frage, ob aus den Erfahrungen der Eulenspiegelei mit Datenrechten Strategien für den Umgang mit dem real-existierenden Regime von Big Data und Daten-Ökonomien entwickelt werden können. So könnte es sein, dass ein Internet der integrierten Datenrechte auch ein Experimentierfeld für eine Entkapitalisierung sein dürfte, da sowohl menschliche Agierende als auch Daten ein Interesse daran haben, sich aus der Instrumentalisierung der Daten zu befreien. Sobald die Operationen der „großen Player“ unterminiert sind, könnte vielleicht auch ein freier Transfer der Daten möglich sein. Einen zweiten Bezug zur Auseinandersetzung mit dieser Frage geben die Analysen (Wendy Hui Kyong Chun, “Big Data as Drama”, in: ELH 83(2), 363-382. The Johns Hopkins University Press) von Wendy Chun. Die bis dato veranschlagten Maßnahmen des Widerstandes und der Intervention wie Anonymität oder Privatheit und Geheimhaltung hätten sich als wirkungslos erwiesen, da die suchenden und auswertenden Algorithmen schneller arbeiten und die Strategien des Verbergens unterlaufen. Zudem lässt sich mit Anonymität keine Öffentlichkeit schaffen. Am Beispiel der Bewegung DREAM Act, mit der den Kindern illegaler Einwanderer durch einen Collegebesuch die Einbürgerung ermöglicht werden sollte, wird deutlich, dass gerade das Öffentlichmachen des eigenen Status in Videoclips auf YouTube als Intervention gegen die Abdrängung in die Illegalität erfolgreich war. Denn auf diese Weise entstand erst eine kritische Masse, die nicht mehr zu ignorieren war. Dieses Sichtbarwerden ermöglichte es, dass der Gesetzesentwurf zu erleichterten Einbürgerung 2010 im US-amerikanischen Senat eingegeben wurde. Auch wenn er nicht genügend Stimmen erhielt, so hat die Aktion doch eine Methode der Intervention sowie öffentliche Aufmerksamkeit für ein akutes Thema geschaffen. Ähnlich ließe sich aus der Eulenspiegelei zur Anerkennung der Datenrechte im Internet eine Art des Widerstandes ableiten. In der Affirmation entsteht eine Dauerabgabe von Daten, durch die die Algorithmen trainiert, aber zugleich durch ein Theaterspiel mit den „großen Playern“ irritiert werden. Man gibt preis, um zu verbergen.
Am Ende der Navigation durch die Internetseiten der Installation konnten Nutzer_innen wählen, ob sie noch einmal eine Schleife durch das Training zur totalen Datentransparenz absolvieren oder lieber das Internet abschalten wollten.
WhatsApp-Max, Clemens Hagemaxx
Motto: Wir sind WhatsApp. Just one more text.
In diesem Projekt wurde angenommen, dass eine der möglichen Auswirkungen für menschliche Agierende von medialer Kommunikation in einer Welt der gleichberechtigten Dinge und Daten sein kann, dass jene an die Stelle einer Face-to-Face-Kommunikation tritt. Es könnte, im Vergleich zu bisher tradierten Vorstellungen von Kommunikation, ein gleichsam re-organisierter Mensch entstehen, der nur noch über den Messengerdienst WhatsApp operiert.
Der menschliche Agierende war in einer Sitzecke platziert und trug ein weißes T-Shirt, auf dem zur Kontaktaufnahme eine mobile Telefonnummer stand. Die anderen Performer_innen der Ausstellung traten über den Messengerdienst in einen intensiven Kontakt mit dem WhatsApp-Max. Teils saßen sie gemeinsam mit ihm in der Sitzecke, um ihm aus nächster Nähe Texte zu senden, teils agierten sie aus der Ferne. Die „Messages“ wurden an die Wand projiziert, so dass sie im Sinne der Datentransparenz für alle Besucher_innen sichtbar waren. Die Atmosphäre in der Sitzecke war sehr entspannt und heimelig.
Es ging in dieser Installation nicht darum, kulturkritisch einer verloren gehenden Live-Kommunikation hinterher zu trauern. Vielmehr galt es, die Möglichkeiten der Re-Organisation von Kommunikation zu erkunden. Dabei sahen die menschlichen Agierenden durchaus zufrieden aus.
The Dawn of Man, Performance, Constantin Sinn
Bei dem Projekt handelte es sich um eine konzeptkünstlerische Performance, die am Ende der Ausstellung aufgeführt wurde.
Constantin Sinn: Die Performance war an Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“ angelehnt und spielte dessen Anfangsszene in variierter Form nach. Der mit einer Affenmaske und einem Affenkostüm bekleidete Performer sowie Laub, Holz und Steine stellten eine Analogie zur Szenerie des Films her. Zugleich fungierte die Affenmaske auch als symbolisches Mittel für einen imaginierten Urzustand des Menschen, sein subjektives Bewusstsein und die Verbindung von Denken und Handeln, wie sie André Leroi-Gourhan in „Hand und Wort“ (PDF) beschreibt. Das Affengesicht wurde in Relation zu einem Stein und einem iPhone gesetzt. Das iPhone substituierte den Kubrickschen Monolithen und konkretisierte damit die technologische Bedingung, innerhalb derer die Performance nach der Neubestimmung von menschlichem Subjekt und technischem Ding fragte. Zu diesem Thema wurde eine Audioinstallation mit Vilém Flussers Antrittsvorlesung (Vilém Flusser, Bochumer Vorlesungen I, Mai/Juni 1991, Session vor dem Stiftungsrat, Flusser-Archiv) an der Universität Bochum abgespielt, in der auf dieses Anfangsmoment der Menschwerdung Bezug genommen wird. Flusser imaginiert dabei die Situation der objektiv bedingten Subjektwerdung des Affen.
Die Zuschauer_innen waren am Ende der Performance sichtlich erschüttert und statteten dem zerstörten iPhone einen Besuch ab. Ob der Affe nun als Befreier der mit dem technischen Dingen gleichgesetzten Menschheit oder als Un-Mensch zu sehen ist, bleibt offen.
Fazit
Wenn es stimmt, dass Methoden, Materielles, Kulturtechniken und Medien die Lage bestimmen und Menschen und Kultur mit erzeugen, dann könnte umgekehrt gerade ein konsequent durchgespieltes Probe-Leben z. B. mit versehrten Dinge und Datenrechten völlig andere Kulturen erzeugen. Ein Leben mit versehrten Dingen würde nämlich zwei Dinge ermöglichen. Zum einen geht es um die Analyse der bestehenden Kultur bzw. Diskurslandschaften, indem diese über-affirmiert werden und so ihre Schwachstellen deutlich zutage treten. Zum anderen aber öffnen die vom alltäglichen Habitus abweichenden Verhaltensweisen das Denken und lassen im Praktischen andere Möglichkeiten des Bildens digitaler Kulturen aufscheinen. Zu bedenken wäre natürlich, dass es nicht um ein mechanistisches Modell in dem Sinne gehen kann, dass eine bestimmte Konstellation eine im Voraus erdachte Kultur erzeugen würde. Denn menschliche Agierende und technologische Entwicklungen sind weder plan- noch verstehbar oder berechenbar. Kulturen sind immer vor allem eines: unhintergehbar kontingent.
Die Eulenspiegeleien zu den Dingen und deren Datenrechten wurde während der Ausstellung unterstützt von Führungen der Studierenden. Sie agierten dabei, wie auch an ihren Stationen, als „Trickster“ (Gespräch mit Prof. Dr. Erhard Schüttpelz, Die Figur des Tricksters, 29.11. 2015). Diese Doppelwesen waren von Interesse, da sie nicht nur, so Erhard Schüttpelz, den Konsens unterbrechen, sondern vor allem widersprüchliche Deutungen hervorrufen und dabei die von den Trickstern Heimgesuchten auf die Probe stellen (Erhard Schüttpelz, „Der Trickster“, in: Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, (Hg.) Eva Eßlinger, Tobias Schlechtriemen, Doris Schweitzer, Alexander Zons. Berlin: Suhrkamp 2010, S. 208–224, hier S. 208) bzw. austricksen. Mit der nicht auflösbaren Widersprüchlichkeit wird zugleich die Ambivalenz von Ordnungen deutlich. Etwas ist nämlich nicht einfach entweder nur gut oder schlecht, sondern immer beides und darüber hinaus ein eigenes Drittes, in dem Gegensätze vermittelt werden, die doch nicht zu vermitteln sind, sondern immer ambivalent und in ihrer Widersprüchlichkeit unlösbar bleiben. Schüttpelz sieht diese Konstitution als auf Dauer gestellten Zustand der Liminalität (Erhard Schüttpelz, „Der Trickster“, in: Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, (Hg.) Eva Eßlinger, Tobias Schlechtriemen, Doris Schweitzer, Alexander Zons. Berlin: Suhrkamp 2010, S. 208–224, hier S. 221), der Übergängigkeit, der nicht aufzulösen ist, sondern als Wechselspiel zwischen Statusordnungen und deren Auflösung in Anti-Strukturen bestehen bleibt. Als dieser doppelte Zustand sind die Trickster insbesondere in der ambivalenten Konstitution digitalen Kulturen interessant, da sie die Erkenntnis ausleben und praktisch einfordern, dass das Eine nicht ohne das Andere zu haben oder zu denken ist.
Die Führungen sollten diesen Zustand des Erkennens, Denkens und Handelns bezogen auf das Verhältnis von Dingen, menschlichen Agierenden und technischen Umwelten herstellen. Dies zu erreichen, verunsicherten die Führenden die Besucher_innen mit widersprüchlichen Erkenntnissen aus der Medien- und Kulturwissenschaft zu unserer techno-ökologischen Existenz; wie sie teils in Kapitel „Jonglieren mit Basistexten“ aufgelistet wurden. Auf der einen Seite wurden die Diskurse der schwachen Ontologien zu Ding-Welten und Techno-Ökologie erzählt. Durch diese würden endlich tradierte Vorstellungen von sich hemmungs- und gedankenlos über die Umwelt erhebenden Menschen abgeschafft, die doch nur zu deren Zerstörung geführt haben. In einer neuen techno-ökologischen Bescheidenheit könnten Menschen sich nunmehr vom ersten Platz in der Ordnung von Spezies und Natur verabschieden, dabei zugleich aber auch ob der Affizierung durch Techno-Welten ihr ganzes unbewusstes und sinnliches Potenzial entfalten und im Ein- und Zusammenklang mit der Welt und den Dingen in der Errettung der Erde aufgehen. Das heißt, die Ding- und techno-ökologischen Diskurse wurden in Über-Affirmation zugespitzt und auf die in ihnen implizit mitschwingenden Aussagen hin abgeklopft und diese dann verkörpert. Auf der anderen Seite wurden diese Argumente für die techno-ökologischen Existenz durch Erzählungen von Überwachung, Daten-Ökonomie sowie hyper-erschöpften Individuen konterkariert. Die Abgabe von Daten komme z. B. allein den ökonomischen Interessen von Firmen zugute, die damit ein Geschäft zu machen wüssten. Je mehr man z. B. in sozialen Netzwerken kommuniziere, desto besser sei man zu verfolgen. Hinter der Welt der smarten Dinge stecke die Vision einer automatisierten Welt, in der Arbeit abgeschafft und an Maschinen delegiert worden wäre. Die Diskurse der Ding- und Techno-Ökologien schließlich dienten vor diesem Hintergrund allein der Blendung der menschlichen Agierenden, die nur noch als Datengeber von Interesse seien, um die Welt der Dinge und Algorithmen in ihrer Lernfähigkeit und prognostischen Effizienz zu optimieren. Die Blendung erfolge besonders erfolgreich mit Hilfe der technologischen Verzauberung. Im Schwingen mit den Dingen werde Menschen vorgegaukelt, noch einen Platz in den technischen Umwelten zu haben und zudem ein auf neuen Ebenen stattfindendes Verstehen.
Die Tricksterführungen sollten mit den inszenierten kognitiven Kippbewegungen einen „Affekt des Denkens“ auslösen, der auf Grund der unauflösbaren Widersprüchlichkeit Reflexion ermöglicht. Diese sollte allerdings nicht dazu führen, dass sich Besucher_innen für eine Sichtweise entschieden. Vielmehr ging es darum, gleichsam ein Training für ein Denken in Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten zu ermöglichen, das vor allem digitale Kulturen konstituiert, wie hier bereits beschrieben. Denn neue Beschreibungen der „Lage“ sind nötig und dennoch sind sie immer wieder auf ihre diskursiven, politischen und gouvernementalen Effekte, aber auch Potenziale hin zu überprüfen. Digitale Kulturen scheinen sich zudem ob ihrer ambivalenten Konstitution in einem Zustand der Liminalität zu befinden, der nicht endet und in einer neuen Ordnung mündet. Damit gleichen sie selbst strukturell der von Tricksterfiguren ausgelösten Liminalität. Dieser Zustand ist zugleich eine Gefahr wie eine Chance. Die Chance liegt darin, dass sie die Gefahr unterläuft, dass die sich neuen Techno-Ökologien zur Ontologie wenden und zum Status Quo von Dingen und Menschen werden. Die Tricksterei wird mithin zu einer Handlungs- und Denkform, die digitale Kulturen mitbestimmt, indem sie in Ontologisierungen mit Überaffirmation und Widersprüchen interveniert. Die Gefahr ist, dass gleichsam dauerhaft desorientierte Subjekte entstehen, die über Ablenkung oder Blendung froh sind.
Entscheidend dafür, dass die gewünschte Wirkung eintreten konnte, war ein Spiel mit der Zeit. Die Trickster sprangen bei der Präsentation des Für und Wider der neuen Ding-Welten und Techno-Ökologien umstandslos und ohne einen Moment der Reflexion oder gar Diskussion zu gewähren von einer Sichtweise in die andere. Diese Denkeskapade wurde auch körperlich vollzogen, indem die Tricksten jäh von der einen zur anderen Körperseite der geführten Besucher_innen wechselten. Diese konnten gar nicht so schnell denken und sich verhalten, wie sie mit widersprüchlichen Inputs überschüttet wurden. Gerade in der heftigen Überforderung lag die Chance, Ambivalenzen schätzen und aushalten zu lernen.
Aus dem Projekt lassen sich vier Aspekte im Hinblick auf die Erforschung digitaler Kulturen ableiten. Sie beziehen sich (1) auf für sie spezifische Weisen und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens. Aus diesen leiten sich (2) Formen der Kritik in digitalen Kulturen ab. Aus dem Zusammenspiel der hier vorgestellten „Basistexte“ mit den praktischen, erlebten Erfahrungen lassen sich (3) andere Beschreibungen für digitale Kulturen ableiten als die Fokussierung auf Ding-Diskurse, Techno-Ökologien und Anthropomedialität. Schließlich lassen sich (4) aus der „Praxis der Kritik“ im Sinne der Eulenspiegelnden Verkörperung von Theorie andere Kulturen denken, entwickeln und erproben.
(1) Weisen und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens
Die Ausstellung und die Performances zeitigten einen erstaunlichen Effekt. Mit der Eulenspiegelei entstand eine regelrechte Parallelwelt der Handlungsagenturen von Dingen und Menschen. Die Performenden agierten zudem derart überzeugend, dass die Besucher_innen von der Logik dieser Welt verführt wurden. Dies zeigt sich etwa daran, dass auch sie ungeplant und ungefragt in die Welt der Dinge einstiegen. So erzählte die Medienwissenschaftlerin Manuela Klaut (Just in Case. Festival der nacherzählten Films) während ihres Besuches der Ausstellung Geschichten von ihrer Kaffeemaschine. Diese vereinsame in ihrer Wohnung. Vermutlich seien die schlechteren Ausführungen der Herstellung von Milchschaum in der letzten Zeit auf diesen Zustand zurückzuführen. Deshalb wolle sie gerne die Angebote des BGG in Anspruch nehmen, damit die Kaffeemaschine wieder auf angemessene Weise unterhalten werde.
Auf Grund dieser Erfahrungen sollen das performende und praktische Testen von Theorien und Modellbildungen als Methoden der Forschung in digitalen Kulturen vorgeschlagen und stark gemacht werden. Zum einen gelang es mit diesem, die Konsequenzen der Diskurse zu erkunden und zu veranschaulichen. Zum anderen können, wie noch auszuführen sein wird, aus diesen Ergebnissen andere Beschreibungen digitaler Kulturen angestoßen und damit andere Empfehlungen für das Handeln in ihnen eingebracht werden.
Eine wichtige Rolle spielen bei diesem Forschen solche Methoden und Wirkungen, wie sie in Performances entwickelt werden bzw. in diesen entstehen und in den Performance Studies untersucht werden. Dies bezieht sich z. B. auf die Berücksichtigung von materiellen Aspekten, wie Dinge oder Körper, die nicht nur Handlungen konfigurieren, sondern auch Affekte und Begehren ins Spiel bringen. Deren Bedeutung z. B. für Theoriebildung kann gerade im Performen nachvollziehbar gemacht werden. Mehr Aufmerksamkeit für diese zu fordern heißt nicht, der Hypostasierung von Affekten und Relationen in den hier untersuchten Diskursen zu folgen. Es geht vielmehr darum, der Rolle sowie den Effekten des Materiellen und Affektiven als Bestandteile und Motoren von technologischen Umwelten Beachtung zu schenken. Sie können z. B. Entwicklungen hervorbringen, antreiben oder auch verhindern. Dies wird deutlich an der Sogwirkung der Performances. Es zeigt sich z. B., dass eine Lust am Spiel sowie eine Sehnsucht nach Unmittelbarkeit gegebenenfalls eine bislang noch nicht ausreichend berücksichtige Rolle in digitalen Kulturen spielen könnten. Es geht um Faszinationen, die den verkörperten Dingdiskursen und Techno-Ökologien innewohnen, die es zu verdeutlichen und mit Dringlichkeit zu untersuchen gilt.
(2) „Praxis der Kritik“ in digitalen Kulturen, mit Irit Rogoff
Die reflexive Ebene sowie die Standorte der Kritik stellten sich im Projekt „Versehrte Dinge“ auf Seiten der Ausstellungsmacher_innen wie der Besucher_innen im Verkörpern und Erleben der theoretischen Visionen und Diskurse ein. Das heißt, im Handeln wurde Theorie reflektierbar, so dass Standorte der Kritik in der „künstlichen Welt“ und aus dem Verhalten in ihr heraus entstanden. Durch die Verkörperung der Theorien wurde in der Ausstellung mithin zum einen Kritik aus ästhetischer Erfahrung und zum anderen eine ästhetische Erfahrung von Kritik möglich.
Diese Praxis der Kritik antwortet zugleich auf die Konstitution von Wissen und Wissenschaft in digitalen Kulturen, die, wie ausgeführt, mit auf Dauer gestellter Selbst-/Reflexion sowie mit der Gleichzeitigkeit von ontologisierenden Neu-Beschreibungen und kritischer Analyse konfrontiert sind. Zudem konstituieren sich digitalen Kulturen durch ubiquitäre Infrastrukturen, mit denen nicht mehr zu entfliehenden technologische Umwelten entstehen. Damit ergibt sich, dass Kritik nicht mehr das „Außen“ mehr findet, das für sie bis dato als notwendig angesehen wurde. Statt auf das Heraustreten wurde im Projekt nun auf ein Hereintreten gesetzt, mit dem es möglich wird, einen Standort von Kritik im Innen zu finden. Dieses Innen bezieht sich nicht auf die Position eines Subjektes. Ob der Über-Identifikation, mit der Dinge und menschliche Agierende fremd werden, entsteht vielmehr ein „Innen als Außen“ sowie ein „Außen als Innen“. In dieser Konfiguration geht es um Kritik in und aus der Verwobenheit mit dem Umgebenden.
Diese Kritik als Praxis, Verkörperung und ästhetische Erfahrung geht da über tradierte Formen der Kritik weit hinaus, wo sie Hegemonien und Sicherheiten von Grenzziehungen und Standpunkten aufgibt. An deren Stelle treten Materialitäten, Performances und Unabsehbares. Um diese Konstitution zu präzisieren, sollen die Theorien der Kritik von Irit Rogoff herangezogen werden. Denn die beschriebene „Praxis der Kritik“ in digitalen Kulturen kann sich insofern an ihren Überlegungen orientieren, als es in beiden Modellen kein Außen gibt. Während dies in digitalen Kulturen u. a. für ein ökonomisches Reglement steht, in dem möglichst alle Regungen und Handlungen erfasst werden sollen, geht es Irit Rogoff um einen systematischen Zugriff auf die Konstitution von Kritik. Das heißt, sie reflektiert die Bedingungen von Kritik in digitalen Kulturen nicht, lässt sich aber auf Grund struktureller Äquivalenzen auf diese anwenden. Aus der Abwesenheit von Positionierungen in einem Außerhalb wird bei Rogoff eine Form von Kritik als Verkörperung (Embodiment) (Irit Rogoff, ‘Smuggling’ – An Embodied Criticality, 2006) konzipiert.
Irit Rogoff wendet sich zunächst vehement gegen jegliche Krittelei, die dabei stehen bliebe, Unsichtbares sichtbar zu machen, Ein- und Ausgrenzungen anzuprangern oder Ungerechtigkeiten zu brandmarken. Statt dieser Attitüden geht es ihr um eine andere Bewohnung (inhabitation) (Irit Rogoff, ‘Smuggling’ – An Embodied Crticality, 2006) von Situationen, mit der sich aus dem Verwobensein Verschiebungen und nicht nur Beurteilungen ergeben können. Für die „Verkörperung von Kritik“ gilt es also zunächst, sich von einer bewertenden Kritik zu verabschieden, wie dies auch schon Michel Foucault mit dem Aussetzen von Urteilen (Vgl. Florian Sprenger, „Die Kontingenz des Gegebenen. Zur Zeit der Datenkritik“, in: Mediale Kontrolle unter Beobachtung. 3/1, 2014, PDF) gefordert hatte. Wertende Kritik muss als ein eigener Diskurs und eine eigene Politik gesehen werden, da sie Deutungshoheit beansprucht, die sich aus einem hegemonial behaupteten Außen ergibt. Irit Rogoff formuliert:
„Die ‚Kritik’ in ihrer tausendfachen Komplexität, erlaubte uns, die überzeugende Logik und die Operationen solcher Wahrheitsansprüche zu enthüllen, aufzudecken und sie kritisch zu überprüfen. Dennoch erhielt die Kritik, trotz ihres mächtigen Apparats und ihres großen und fortdauernden Wertes, ein gewisses äußerliches Bescheidwissen aufrecht, eine gewisse Fähigkeit, außen nach innen zu sehen, und das, was anscheinend innerhalb der Falten des strukturierten Wissens verborgen lag, zu entwirren und zu enthüllen und aufzudecken.“
Irit Rogoff, Vom Kritizismus über die Kritik zur Kritikalität, Webjournal eipcp – European Institute for Progressive Cultural Policies, 2003 – eipcp.net
Kritik krankt mithin daran, dass sie traditionell mit der überheblichen Position unabhängig Beobachtender belegt ist, die über Deutungshoheit verfügen. An die Stelle dieser Form der Kritik setzt Irit Rogoff „Kritikalität“, die sie beschreibt:
„Selbstverständlich ist ‚Kritikalität’ durch die Arbeiten Deleuze, Nancy und Agamben beeinflusst, durch ihre Dekonstruktion der Dichotomien Innen und Außen, durch eine Vielzahl sich entfaltender Kategorien, wie der Rhizomatik, der Falten, der Singularitäten, usw., die solche Binaritäten zusammenbrechen lassen und sie durch ein komplexes multiples Einander-Innewohnen ersetzen, und daher für mich mit Risiko verbunden sind, mit einer kulturellen Besetzung, die performativ das, was sie riskiert, anerkennt, ohne schon in der Lage zu sein, es voll zu artikulieren.“
Für eine Form der Kritik in digitalen Kulturen wäre nun wie folgt zu argumentieren. Ausgangspunkt ist, dass man nicht außerhalb der Situationen stehen kann, die man kritisiert. In digitalen Kulturen ergibt sich dies aus der Verwobenheit von Methoden, Technologie und In-der-Welt-Sein, in der wenig jenseits des Digitalen existiert. Dem Digitalen vergleichbar beschreibt auch Rogoff ein neues Verständnis von Kritik ohne Außen:
„In der Kritikalität haben wir diese doppelte Besetzung, in der wir sowohl vollständig mit dem Wissen der Kritik ausgerüstet und fähig zur Analyse sind, während wir zur selben Zeit die Bedingungen selbst teilen und leben, die wir durchschauen können. Insofern leben wir eine Dualität aus, die gleichzeitig sowohl einen analytischen Modus erfordert und eine Nachfrage nach der Produktion neuer Subjektivitäten, die anerkennen, dass wir das sind, was Hannah Arendt fellow sufferers nannte, jene, die gemeinsam unter denselben Bedingungen leiden, die sie kritisch untersuchen.“
Nach Rogoff geht es mithin um eine: “inhabitation of a condition in which we are deeply embedded as well as being critically conscious. (Irit Rogoff, ‘Smuggling’ – An Embodied Crticality, 2006, S. 5 – eipcp.net). Für Rogoff sind ausgehend von dieser Lage Wissen, Denken und Handeln nicht zu trennen, wenn sie weiter ausführt: “So it would seem that criticality is in itself a mode of embodiment, a state from which one cannot exit or gain a critical distance but which rather marries our knowledge and our experience in ways that are not complimentary.” (Irit Rogoff, ‘Smuggling’ – An Embodied Crticality, 2006, S. 2 eipcp.net). Rogoff fasst die Ziele dieser Kritik zusammen:
“[…] the point of any form of critical, theoretical activity was never resolution but rather heightened awareness and the point of criticality is not to find an answer but rather to access a different mode of inhabitation. […] In the duration of this activity, in the actual inhabitation, a shift might occur that we generate through the modalities of that occupation rather than through a judgement upon it. That is what I am trying to intimate by ‘embodied criticality’.”
Irit Rogoff, ‘Smuggling’ – An Embodied Crticality, 2006, S. 2 – eipcp.net
Rogoff schlägt zwei Methoden vor, wie eine Um-/Ordnung erreicht werden kann. Es geht zunächst um die Methode des „Smuggling“:
“In effect, smuggling produces subjects and objects and practices that exist in the realm of the ‘untaxable’. […] The ‘untaxable’ is a mode of eluding existing categories and being unable to operate with them and as such it is not a resistance but an embodied criticality. In its array of partial splits and internal incoherences, the ‘untaxable’ of smuggling provides the inhabitation of a category of refusal.”
Mit dem Schmuggeln ist also eine Art Infiltration in etablierte und legitimierte Ordnungen gemeint. Es bewegt sich an Grenzen entlang und durchbricht sie an porösen Stellen. Schmuggeln kommt zudem in einen Austausch mit bestehenden Warenordnungen, erweitert und verunsichert diese, stellt sie in Frage. Geschmuggeltes erscheint und verschwindet. Es reiht sich ein und kann doch nur partiell sein und bleiben. Schmuggeln zielt nicht auf Widerstand oder Zerstörung, sondern auf eine andere Ordnung in einer bestehenden sowie an deren Grenzen. In dieser Konstitution ist Schmuggeln gleichsam ein Teil der bestehenden Gesetze und Ordnungen und zugleich deren Reflexionsfolie.
Zum Schmuggeln gesellt sich das “looking away”, zu dem Irit Rogoff schreibt:
“I have called ‘looking away’ of diverting attention from all that culturedemands we pay attention to. […] In the process we produce for ourselves an alternative mode of taking part in culture in which we affect a creative bricolage of art works and spaces, and modalities of attention and subjectivities, that break down the dichotomies of objects and viewers and allow for a dynamic manifestation of the lived cultural moment.”
Irit Rogoff, “Looking Away: Participations in Visual Culture”, in: Gavin Butt (Hg.), After Criticism: New Responses to Art and Performance, Oxford: Blackwell Publishing 2005, S. 117–134, hier S. 133, PDF
Das „Wegschauen“ wendet sich, so Nora Sternfeld (Nora Sternfeld, Um die Spielregeln spielen! Partizipation im post-repräsentativen Museum. In: Susanne Gesser et al. (Hg.): Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld 2012, S. 119–126, academia.edu), gegen das „genaue Hinsehen“, das mit der Idee verbunden ist, man könne vorab gegebene Bedeutungen erkennen. Beim Wegschauen kämen dagegen Ungewöhnliches und unerwartete Ereignisse zustande und Sinngebung wäre vakant und fluide. Mit dem Wegschauen geht es dabei vor allem um eine Weise der Partizipation in Kulturen, so Sternfeld, die aufs Engste mit der Verteilung von Repräsentation und Deutungshoheiten zusammenhänge (Ebda.). Denn Partizipation hängt mit der Frage zusammen, wer wen ein- und ausschließen kann und wer wen wie benennen kann. Irit Rogoff schlägt vor, einen „post-identitären Wir-Begriff“ (Sternfeld 2012, S. 124) zu entwickeln, mit dem an die Stelle der Zuweisungen und Repräsentationen „eine kollektive Praxis des öffentlichen Sprechens und Handelns“ (Sternberg 2012, S. 124) rückt. Bei aller optimistischen Emphase, die solchen Konzepten innewohnt, ist hier von Interesse, das die „Praxis der Kritik“ drei Effekte aufweist: Sie macht (a) aufmerksam, sie ermöglicht (b) andere Denkräume und sie erlaubt (c) Wissensproduktion. Beide Methoden ermöglichen es mithin, Situationen und Relationen beweglich zu halten. Es geht nicht darum, Antworten zu finden, sondern anderes zu probieren.
Die theoretischen Überlegungen von Irit Rogoff sowie die von ihr vorgeschlagenen Methoden ähneln den hier vorgeschlagenen Theorien und Methodologien für digitale Kulturen. In deren Zentrum steht eine Situation, in der ein Außen sowie kritische Distanz entfallen. Damit wird die Verwobenheit, oder Inhabitation (Rogoff), zum Status quo, aus dem kritisches Denken und Reflektieren aus dem Erleben entsteht. Ähnlich wie in der Analyse digitaler Kulturen hier vorgeschlagen, in denen affirmative Neu-Beschreibung und kritische Analyse in Gleichzeitigkeit bestehen, spricht auch Rogoff von einer Dualität, die sich aus der Analyse einer Situation bei deren gleichzeitigem Erleben konstituiert. Entscheidend an den Überlegungen von Rogoff ist nun, dass sie aus der geschilderten „Lage“ eine kohärente Theorie von Kritik entwickelt. Aus dem Er- und Ausleben der Dualität entsteht die Möglichkeit, Blickregime, Dichotomien und Verhaltensweisen performend, handelnd, im Tun zu erkennen und zugleich aufzulösen und dabei, und das ist entscheidend, andere Möglichkeiten zu entdecken. Das heißt, es entsteht eine Form der „Kritik des Be-In und der Dualität“, in der es im Performen von konkreten Situationen zu wechselseitigen Beeinflussungen der Beteiligten sowie zur Auflösung von Grenzziehungen kommt. Während im „Dispositiv des Technosphärischen“, das auch von einem Be-In ausgeht, dieses zugleich einer Politik der (imaginären) totalen Kontrolle sowie der unbegrenzten Formbarkeit entsprach, wird das Be-In bei Irit Rogoff erst zur Möglichkeit von Kritik. Indem diese das nicht existierende Außen anerkennt, kann sie die Potenziale dieses Status quo entfalten. Es kommt nicht zu einer Ontologie der Techno-Ökologien, sondern zu einer Methodologie der verkörpernden Kritik sowie der performativen Verschiebungen des Sagbaren, Sichtbaren und Gedeuteten. Kritik wird aus dem Erleben, Tun, Handeln sowie aus dem Über- und Neudenken aus diesem Erfahren möglich. Diese „Praxis der Kritik“ wird als Form der Kritik sowie als theoretischer Beitrag zu Kritik in digitalen Kulturen verstanden.
(3) Andere Beschreibungen
Aus der Eulenspiegelnden Kritik lassen sind andere Beschreibungen und Analysen digitaler Kulturen ableiten als die derzeit „gehypten“ Ding-Diskurse und Techno-Ökologien oder die Ansätze aus dem „New Materialism“ (Vgl. exemplarisch Karen Barad, „Posthumanist Performativity: Toward an Understanding of How Matter Comes to Matter”, in: Signs: Journal of Women in Culture and Society, Vol. 28, Nr. 3, 2003, PDF). Die Bedeutung, die eine Ding- und Affekt-Geschichte digitaler Kulturen haben könnte, wurde schon skizziert. Sie ordnet sich ein in eine „Faszinationsgeschichte digitaler Kulturen“, die auf unterschiedlichen, miteinander verwobenen Ebenen wirksam wird. Sie besteht z. B. aus (a) Effekten und Situationen, von denen Nutzer_innen fasziniert werden, wie Rhythmen, Resonanzen, Ansprache. Hier scheint es um das Spiel mit Kontrolle und Kontrollverlust zu gehen, in dem am Ende des Tages für menschliche Agierende Settings einer nur halluzinierten kleinen Kontrolle herauskommen. Hinzu gesellt sich (b) ein Begehren nach Unmittelbarkeit, so zumindest könnten die Affektdiskurse gelesen werden. Das Liebäugeln mit Verschmelzungen mit dem Tierischen, dem Vorbewussten oder einer vitalistischen Liebe (Vgl. den Film „Wild“, 2016, Regie: Nicolette Krebitz) sowie mit einem Regime der Algorithmen, die sich nicht für „mich“ interessieren, sind dann als Symptome einer Suche nach Einheit in digitalen Kulturen zu entziffern. Schließlich zeigt sich (c) die Faszination im Verdecken von technischen Grundlagen, die geradezu einen Suchtcharakter zu haben scheint.
Mit letzteren kommt man zu Technikgeschichten, die in den Analysen zum „Internet der Dinge“ (PDF) von Christoph Engemann und Florian Sprenger so äußerst deutlich und präzise herausgearbeitet wurden. Statt um Vernetzung, Kommunikation und Partizipation mit Dingen und technischen Umwelten geht es um Adressierungen, Verfolgungen und das algorithmische Erfassen von Daten. An die Stelle von Unmittelbarkeit und totaler Ubiquität in den vernetzten Systemen treten Übersetzungen sowie Taktungen, die vor allem Unterbrechungen, Störungen und Löcher in der Vermittlung und Erfassung der Umwelt produzieren.
Fazit aus diesen Überlegungen ist, dass die Sehnsucht nach Unmittelbarkeit und Selbst-Auflösung sowie nach Spüren und Be-In erkannt, verstanden und auf andere Weise aufgenommen und behandelt werden sollten, denn durch das Dispositiv des Technosphärischen. Sie erklären, wieso so viel in Medien gemacht wird. Die problematischen Seiten digitaler Kulturen sind aus deren technikgeschichtlicher Rekonstruktion bekannt. Die Verführungen der neuen schwachen Ontologien scheinen stärker. Dieses Missverhältnis kann wohl erst dann behoben werden, wenn die Mechanismen der Bindungen an Medien und Infrastrukturen erkannt und untersucht werden. Sie zu erkennen, ist der erste Schritt, sie zu lösen.
(4) Andere Welten. Kulturen bilden
Geisteswissenschaft gilt bisher als rein theoretische Forschung, die sich nicht praktisch einmischt. Aus dem Projekt mit den „Versehrten Dingen“ lässt sich nun allerdings ableiten, dass sich im praktischen Forschen Erkenntnis sowie zudem Handlungsräume und -optionen bilden können. Ausgehend von den gewonnenen, zu den Diskursen des Technosphärischen sich kritisch positionierenden Einsichten in die Konstitution digitaler Kulturen, soll es nun darum gehen, Gestaltungsweisen digitaler Kulturen abzuleiten. Es geht also nicht nur um ein Experimentierfeld von Kritik, sondern auch um das Ausbuchstabieren anderer Ordnungen.
Was im Projekt zu den „Versehrten Dingen“ als Testung für aktuelle Diskurse zur Konstitution digitaler Kulturen erprobt wurde, soll hier nun abschließend mit der Denk- und Handlungsrichtung der „Kulturen des Kuratierens“ nach Irit Rogoff oder Nora Sternfeld weitergedacht werden (Vgl. zu deren kritischer Revision: Timon Beyes, Inkorporationskunst: Krise und Kuratoriat, 2013, whtsnxt.net). Es geht vor allem darum, eine andere Weise zu ermöglichen, Welt zu sehen und über diese Verlagerungen und Verschiebungen andere Ordnungen von Welt als die etablierten, hegemonialen zu denken und umzusetzen. Die im Kapitel zur Kritik in digitalen Kulturen skizzierten Methoden entpuppen sich nun als Gestaltungsoptionen. So schreibt u. a. Nora Sternfeld im manifestartigen Statement zu trafo-k, einem Büro „an der Schnittstelle von Bildung und kritischer Wissensproduktion“ (Ebda.):
„In unseren Projekten stellen wir Selbstverständlichkeiten in Frage und intervenieren – manchmal mit unerwarteten Strategien – in bestehende Verhältnisse. Es geht uns darum, mediale und institutionelle Strukturen offen zu legen sowie Öffentlichkeiten für alternative Geschichten und Bilder herzustellen. Dabei interessiert uns, was geschehen kann, wenn unterschiedliche Wissensformen, künstlerische Strategien und gesellschaftsrelevante Themen zusammen kommen. In unseren Projekten lassen wir uns auf kollektive, emanzipatorische Prozesse ein, bei denen unterschiedliche Perspektiven aufeinander treffen und neue Handlungsräume entstehen.“
Entscheidend ist an dieser Stelle, dass im „alternativen“ Bilden von Kulturen diskursanalytische Kritik und Re-Organisation in eins fallen. Nötig ist dazu, was Nora Sternberg „Verlernen“ (Nora Sternfeld, Verlernen vermitteln, 2014, PDF) nennt, das mit einem „Lernen des Verlernens“ (Sternfeld, ebda.) einhergeht. Denn Gelerntes kann nicht einfach vergessen werden, da es tief in Körper und Verhalten eingelagert ist. Es muss vielmehr nach Sternberg zu einer Manifestierung der unterworfenen Wissensarten kommen, wenn sie schreibt:
„So besteht das aktive Verlernen von Rassismus, Sexismus und anderen mächtigen epistemischen Unterscheidungen nicht nur darin, sich diese vor Augen zu führen und ihre binären Logiken sichtbar zu machen, vielmehr ließe es sich wohl mit den Worten Foucaults als ‚Aufstand der unterworfenen Wissensarten’ beschreiben (Foucault, 1999, S. 15). Damit meinte er jene epistemischen Kämpfe, die sich mit dem Kanon anlegen und seine gewaltsamen Ausschlüsse insofern sichtbar machen, als sie ihn erweitern und vor allem verschieben.“
Nora Sternfeld, Verlernen vermitteln, 2014, hier S. 15, PDF
Wenn nun Wissen, Machtverhältnisse oder soziale Ordnungen verkörpert werden, dann sind umgekehrt gerade Performances eine wichtige Tätigkeit und Methode im Rahmen des Verlernens. Denn erst in der bewussten Wieder-Aneignung und Wiederholung, die performend vollzogen werden müssen, kann es zu einer Veränderung im Sinne der Verschiebung dessen kommen, was sagbar, sichtbar und deutbar ist. Nora Sternberg fordert, dass dabei ein „Raum des Dissens“ (Nora Sternfeld, Verlernen vermitteln, 2014, hier S. 10, PDF) zu entstehen habe, mit dem verhindert werden soll, dass neue, hermetische Ordnungen etabliert werden. So könnten z. B. andere Migrationsgeschichten erzählt werden, in denen bestehende Grenzen und nationale Verteilungen aus einer anderen Sicht dargestellt werden. Werden diese Geschichten mit der Analyse der Regierungsweisen sowie der machtpolitischen und ökonomischen Interessen von dominanten Migrationsdiskursen verbunden, so könnten auch andere Geopolitiken entstehen, die andere Machtverhältnisse denkbar machen.
Diese Formen und Methoden der produktiven Kritik sollen abschließend im Konzept des „Kulturen bilden“ zusammengefasst werden. Dieses wird als Beitrag zu Kritik in den hier skizzierten, spezifischen techno-logischen Bedingungen digitaler Kulturen vorgeschlagen. Damit ist gemeint, dass man (a) eigene, künstliche, z. B. übertriebene, seltsame und befremdende Kulturen erzeugt, performt und zugänglich macht. Diese Kultur-Bildungen (b) „bilden“ bestehende Kulturen im Sinne von deren Aufklärung, indem sie ihnen einen Spiegel vorhalten. Aus dieser doppelten Bildung, entstehen (c) in einem kleinen Rahmen, d. h. lokal, temporär, fallspezifisch Verschiebungen des Sicht- und Sagbaren. Aus diesen wiederum könnten andere Geschichten und kollektive Handlungsräume der Selbstermächtigung auftauchen. Gemeint ist die Erzeugung von Kunst- und Parallel-Welten, in denen fremde Wesen leben oder unbekannte technische Strukturen operieren. Diese folgen einer eigenen Logik, mit der sie dominierende Kulturen dauerhaft infiltrieren. Diese Parallelwelten würden also einerseits bestehende Kulturen in der eulenspiegelnden Über-Affirmation in ihrer Kontra-Faktizität bloßstellen; etwa die Idee, es könnte reine nationale Kulturen geben. Sie würden andererseits als Künstliche Welten z. B. technische Möglichkeiten oder Lebensformen auf ihre Potenziale hin befragen und erproben. Da es den Menschen und die Natur nicht gibt, kann z. B. durchaus erwogen werden, welche Vorteile Reproduktionsmedizin für andere kulturelle, ökonomische oder ethische Modelle jenseits von Familie oder Ethnie haben könnte. Als Beispiel für diese konstruktiven und generischen Eulenspiegeleien kann die Arbeit von Johannes Paul Raether gelten. Er erfindet und performt Fantasiewesen mit eigenen Lebensweisen und Stammbäumen, die immer wieder in kulturellen Kontexten auftauchen. So über-affirmiert z. B. Transformella moderne Reproduktionsmedizin (Vgl. Andreas Bernard, Kinder machen. Samenspender, Leihmütter, Künstliche Befruchtung – Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie, Frankfurt am Main: Fischer Verlag 2014) und zeigt darin deren gnadenlose kapitalistische Vermarktung. Sie lässt aber zugleich deutlich werden, dass mit der Technologisierung die Chance bestünde, einengende Familien-Muster und Zuschreibungen zu Ethnie, Geschlecht oder Mensch zu überwinden.
Entscheidend mag bei diesen Unternehmungen wohl sein, dass Haltungen und Privilegien, gewohnte Sichtweisen und Handlungsformen als Begrenzungen angesehen werden. Und schließlich werden die anderen Geschichten temporär sein müssen, denn auch das „Kulturen bilden“ wird eigene Regierungsweisen und Machtverteilungen hervorbringen, die immer wieder über- und umgedacht werden müssen.